Rezension

Die Jagd nach Antworten zwischen Realität und Fiction

Die Insel
von Manuela Martini

Zitat:
„Warum sie zu der Reise aufgebrochen ist, darüber will sie nicht mehr nachdenken. Und selbst wenn es das Buch war … na und, das spielt keine Rolle mehr. Manchmal braucht man eben irgendein Hilfsmittel, einen Anlass, damit man sich endlich auf den Weg in sein eigenes Leben macht. So einfach ist das.“
(S. 62)

Inhalt:
Es beginnt alles ganz harmlos. Hannah ist als Backpackerin für ein Jahr in Australien. Dort folgt sie den „Spuren“ eines Tagebuchs, will mehr über den Menschen herausfinden, der es verfasst hat. Nach vielen mies bezahlten Jobs bekommen Hannah und ihre Freundin Nikki das Angebot, auf einer schönen Pazifik-Insel zu arbeiten. Was dort jedoch geschieht, ist mehr als unerwartet und irgendwann scheinen Realität und Fantasie zu verschwimmen. 

Meinung:
Nachdem ich schon mit mehreren Appetithäppchen aus der Geschichte vorab versorgt wurde, konnte ich „Die Insel“ selbst natürlich nicht lange im Regal lassen.

Manuela Martini fackelte nicht lange und warf mich mitten in eine Kneipe in Sydney, um dort auf die Protagonistin Hannah und ihre Freundin Nikki zu stoßen. Monate schlechtbezahlter Jobs, der letzte mit bösem Ausgang, auf Hannahs Seite und eine gesperrte Kreditkarte auf Nikkis Seite lassen das Geld knapp werden. Wie gerufen kommt das Jobangebot von Luke: Ein Traumjob auf einer Trauminsel mitten im Pazifik.

Nur am Rande bekommt der Leser mit, warum Hannah überhaupt in Sydney ist, kurz eingefügte Rückblicke rollen die Geschehnisse von hinten auf. All das muss etwas mit diesem Tagebuch zu tun haben, um das die Autorin lange Zeit ein großes Rätsel machte. Von wem ist es? Was hat derjenige erlebt? Viele Fragen türmten sich auf und jagten mich durch die Seiten. Ich war gezwungen, mehr Informationen zu sammeln, wollte wissen, wie all das zusammenhängt.

Es wurde mysteriöser und mysteriöser, ich hatte Vermutungen, Pläne, Ideen. Doch mit was die Autorin die Sache dann tatsächlich aufklärte, über welche Irrwege sie mich führte, hätte ich niemals auch nur im Ansatz vermutet. So verschwimmt die Realität immer weiter, mein Geist wurde zusammen mit dem von Hannah benebelt und selbst in mir hallten die ominösen Worte nach, die nach kurzer Zeit etwas mit Toten zu tun haben musste: Mete bab ou alatranp. Oder alles Einbildung? Verwirrte Charaktere?
Manuela Martini spielte gekonnt mit meinen Zweifeln, schürte und hegte sie sorgfältig, damit ich dem entstandenen Sog nicht mehr in die Realität entfliehen konnte.

Der Schreibstil von Manuela Martini ist einerseits einfach und leichtgängig, dann wieder stellenweise holprig und schwer. Sie passt ihn an die Situation ihrer Protagonistin an und so verflüchtigt sich die Leichtigkeit mit der immer stärker werdenden Bedrohung und weicht düsteren, teils atemlosen Passagen.

Zu Hannah und auch zu ihrer Freundin Niki fand ich sehr schwer Zugang, was vielleicht dem personalen Stil geschuldet war. Die Erzählstimme schildert die Gedanken und Gefühle von Hannah, ihre Version von kurzen Rückblicken sind oftmals eingeschobene wörtliche Rede, die meinen Lesefluss anfangs stocken ließ – da sowieso schon sehr viel geredet und erzählt wird. Darauf folgen wieder ganze Kapitel über die Vergangenheit, die immer neue Kenntnisse bieten und das große Ganze verständlich machen.
Als sich Vergangenheit und Gegenwart dann sortiert hatten und ich ein vollständiges Bild zu haben glaubte, verwirrte mich die Autorin mit ihrer Idee des Ganzen, fügte neue Puzzleteilchen ein, neue Zweifel über Charaktere und Wahrheit, was zu einem Kampf ums Überleben führte. Mein einziger Anker, der Strohhalm, an den ich mich klammern konnte, war die dritte Ebene, die Manuela Martini später einführte und mich aus diesem ersten Teil der „Insel“ gierig nach Luft schnappend auftauchen ließ.

Urteil:
Mein Ausflug auf „die Insel“ war im wahrsten Sinne des Wortes ein Trip. Manuela Martini hat mich verwirrt und beinahe zum Verzweifeln gebracht, mich erlöst und doch wieder im Unklaren gelassen. Zu viele Antworten warten auf Fragen, die ich noch gar nicht wagte zu stellen, weil ich das bisher Bekannte noch setzen lassen muss. Abgesehen von den ersten Kapiteln hing ich wie gebannt an den Seiten und erlag dem bedrohlichen und spannenden Sog. Für dieses Erlebnis der besonderen Art gibt es knappe 4 Bücher von mir.

„Die Insel“ ist sicher nicht für jeden Geschmack. Man muss sich als Leser mitreißen lassen oder man wird nicht in die Geschichte finden. Wer sich gerne verwirren lässt, den Protagonisten blind folgen kann, einem Sog voller Wunderlichkeiten nicht widerstehen kann und gerne in eine fantastische und zugleich bedrohliche Kulisse entführt werden will, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.

Die Serie:
1. Die Insel
2. ?

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