Rezension

Die Kralle der Vergangenheit, die unerwartet in die Gegenwart greift

Creszentia (11 Schauergeschichten) - Alexander Lorenz Golling

Creszentia (11 Schauergeschichten)
von Alexander Lorenz Golling

Bewertet mit 5 Sternen

Gruselig, unheimlich, wenn das Andere in den Alltag einbricht! Der Autor braucht vor Poe, Lovecraft, King, Barker, James, Jacobs nicht ...

31. Oktober Halloween und dann kriechen die Nebel des Novembers sowie die klammen Nebel in die Knochen der Menschen. Melancholie greift um sich und macht sich im Denken breit. Es wird schon früh dunkel und je nachdem, wann man aufstehen muß, ist das Licht noch immer abwesend. Und oft ist der Himmel nur grau in dunkelgrau - es ist das Leichentuch des dahinsiechenden Jahres. 

Ja, man kann das ganze Jahr über Anthologien des Grusels lesen, aber nun ist die gruftigste Zeit des Jahres und am besten geeignet, sich solch ein Buch zu Gemüte zu führen. 

Das tut Alexander Lorenz Golling hier mit "Creszentia", ein gruseliges und unheimliches Buch, dessen Schauplatz oft das Donaumoos ist. Wenn dieser Schauplatz schon in der Gegenwart so mystisch und unheimlich wirkt, trotz Flurbereinigung, Entwässerung der Moore usw., möchte ich nicht wissen, wies war, als es noch naturbelassen existieren durfte. 

Der Titel meiner Rezension bezieht sich übrigens auf ein Zitat aus diesem Buch. Ein gelungenes Vorwort führt einen geschickt ein, bis die Pforte geöffnet wird: die zum Andersartigen, dem Grauen, das dann einbricht, wenn man am wenigstens damit rechnet. 

11 Kurzgeschichten, die das Phantastische in unterschiedlichen Formen miteinbezieht. In "Adele mit den großen Augen" hat Tommy eine ganz besondere, unsichtbare Freundin - mit Folgen. Diese erinnert mich an Motive bei Edgar Allan Poe. Ohne, daß dieser Autor hier es nötig hätte abzukupfern. O nein, er ist von den großen Namen auf großartige Weise inspiriert, seine eigenen kreativen, originellen Ideen umzusetzen. 

"Das letzte Fresko" und "Die Wächter von Veruda" enthalten Horrorelemente, ohne daß es jetzt blutig wird. 

In "Irrlicht" und "Ab-teilungen" bekommen die Protagonisten ihre wohlverdiente Lektion. 

"Lethargie des Nachmittags" verbindet das Phantastische mit angemessener Sozialkritik. 

"Creszentia" ist im Gothic Horror - Stil gehalten, spielt 1891 und hat eine hübsche kleine Anspielung an Lovecraft. Edgar Allan Poe, W. W. Jacobs und M. R. James würden die Geschichte lieben. Denn das Grausen kommt allmählich, dafür aber um so gewaltiger! 

In "Blick in den Abgrund" und "Andreasnacht" bekommen die Protagonisten zu spüren, was passiert, wenn man Kräfte herausfordert, die man nicht kennt. 

"Klassentreffen" lehrt einen, warum man NICHT an Klassentreffen teilnehmen sollte.

In "Schneetreiben" wird der Glauben des Protagonisten zur unverrückbaren Gewißheit, zu einem hohen Preis?

Atmosphärisch geschrieben greifen diese Geschichten tief in die Wurzeln der Amygdala und lehren einen das Fürchten. Ob ich, nach dieser Lektüre, das Donaumoos jemals besuchen sollte, ist doch eher fraglich, genau wie Providence in Rhode Island. Alexander Lorenz Golling packt einen an den nackten, ungeschützten Nervenenden und zeigt, daß es mehr gibt, als das träge Auge wahrnehmen kann. Man denke nur an Shakespeare: Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde ...

Legt euch nicht mit Mächten an, die ihr nicht kennt! Auch für Fans der gruseligeren Episoden von Twilight Zone geeignet!