Rezension

Die Lebenskünstlerin

Die vollkommene Lady - Margery Sharp

Die vollkommene Lady
von Margery Sharp

Bewertet mit 4 Sternen

30er Jahre. Julia Packett ist eine Frau, die durch ihren ansteckenden Optimismus und ihre Lebenslust ein Leben völlig losgelöst von den gesellschaftlichen Konventionen in London führt. Seit dem Tod ihres Mannes becirct sie mit ihrem Charme die Männerwelt und lässt sich von ihnen ohne Skrupel finanziell unter die Arme greifen. Dafür hat sie ihre Tochter Susan bei ihren Schwiegereltern in Frankreich geparkt und lässt sie von ihnen erziehen. Nun bekommt Julia von ihrer mittlerweile erwachsenen Tochter nach langer Zeit per Brief einen Hilferuf zugesandt, denn Susan möchte heiraten und braucht Unterstützung, da Julias Schwiegermutter sich quer stellt. Julia lässt sich nicht nehmen, der Bitte Folge zu leisten und reist nach Frankreich, um dort in der Nobelvilla ihrer Schwiegereltern nicht nur den zukünftigen Ehemann unter die Lupe zu nehmen, sondern nebenbei selbst auch für einige Unruhe zu sorgen…

Margery Sharp hat mit „Die vollkommene Lady“ einen unterhaltsamen und gleichsam humorvollen Roman vorgelegt, der den Leser in das vergangene Jahrhundert entführt in eine Zeit, da Frauen von ihren Ehemännern abhängig waren, auf ihren Ruf achten und sich gesellschaftlichen Normen und Regeln unterwerfen mussten. Mit einem Zwinkern in den Augen hat die Autorin ausgerechnet eine Hauptprotagonistin gewählt, die all diese Vorgaben überhaupt nicht erfüllt und sich damit mehr recht als schlecht durchs Leben laviert. Der Leser lernt während der Lektüre Julias unkonventionelle Lebensweise kennen und darf oft schmunzeln, während Julia sich bei der Begutachtung des potentiellen Schwiegersohns so ihre eigenen Gedanken und Sorgen macht. Die Autorin hat ein Händchen dafür, die oftmals vorhandene Situationskomik mit dem typisch britisch-trockenen Humor einzufangen und die Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Erwartungen dem Leser wunderbar vor Augen zu halten. Es brauchte Frauen, die mit Traditionen und Regeln brechen, damit die Frauen von heute endlich ein Wahlrecht haben oder selbständig leben können, ohne sich von einem Mann abhängig zu machen und dafür gesellschaftlich am Rand stehen.

Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und glaubwürdig in Szene gesetzt. Manchmal wirken sie ein wenig überspitzt, doch tut das ihrer Authentizität keinerlei Abbruch. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, die eine oder andere Handlungsweise nachvollziehen und sich ihnen verbunden fühlen. Julia ist eine Frau, die sich nichts aus dem Gerede anderer macht. Sie ist offen, großzügig, unternehmungslustig und vor allem selbstbestimmt. Sie legt keinen Wert auf Konventionen, hat einen Hang dazu, Unruhe zu stiften, ohne dass es ihr wirklich bewusst ist oder Absicht und besitzt einen gesunden Egoismus, der aber in punkto ihrer Tochter manchmal nicht so sympathisch wirkt. Susan ist eine Frau, die eine sehr gute Erziehung genossen hat und noch völlig unerfahren ist, wenn es um die Männerwelt geht. Sie lässt sich in ihrer Naivität blenden und doch sieht es irgendwie so aus, als wenn sie sich diesen Mann gerade deswegen ausgesucht hat, weil er ihrer Mutter so ähnlich ist. Ebenso überzeugen die weiteren Nebendarsteller und lassen den Handlungsverlauf zu einem Vergnügen der besonderen und etwas angestaubten Art werden.

„Die vollkommene Lady“ wirkt mit einer Extraportion Charme. Die Geschichte besitzt eine Leichtigkeit und aufgrund des britischen Humors hat man während der Lektüre oft ein Grinsen im Gesicht. Verdiente Leseempfehlung für eine unterhaltsame Geschichte!