Rezension

Die Suche nach ein bisschen Glück

Mittelstadtrauschen - Margarita Kinstner

Mittelstadtrauschen
von Margarita Kinstner

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Alle Menschen sind auf der Suche nach ein bisschen Glück, nach ein wenig Sinn in ihrem Leben. So sucht Marie nach der Liebe in sich und findet sie nicht, so sucht Sonja nach einem, der sie ein bisschen lieb hat.“

Jakob lernt in einem Café Marie kennen und verliebt sich in sie. Er trennt sich von Sonja, die kurz danach mit Gery zusammenkommt. Gery nun war der beste Freund von Joe, in den Marie so verliebt war. Joe, der sich mit einem Sprung von einer Brücke das Leben genommen hat und seinen Freunden ein Testament hinterlässt, das genau ein Jahr nach seinem Tod auf dem Wiener Prater eröffnet werden soll.

Ein Schicksal führt zum anderen. Wir lernen Hedi kennen, die alte Dame, der Gery immer das Essen bringt und die nie verwinden konnte, dass sie als junges, unverheiratetes Mädchen ihr Baby weggeben musste. Oder Maries Vater, der sich seit dem Tod seiner Frau in eine Scheinwelt zurückzieht, in der diese noch lebt.

„Die Menschen rauschen an dir vorbei, und die meisten von ihnen erkennst du schon am nächsten Tag nicht wieder.“

Weitere Charaktere tauchen auf. Jedes Leben ist irgendwie mit den anderen verwoben. Jeder einzelne hat Hoffnungen und Träume, ist geprägt von Enttäuschungen und sucht trotzdem sein bisschen persönliches Glück. Aber das Leben miteinander ist häufig alles andere als leicht. Und eine Beziehung endet häufig im Frust, weil der andere die eigenen Hoffnungen weder erahnen kann noch sie erfüllt.

„Die Liebe bleibt nur so lange groß, solange sie sich nicht erfüllt.“

Ein wunderschönes Buch! Es fällt mir schwer, den Eindruck zu beschreiben, den es bei mir hinterlassen hat. Anfangs hab ich ein wenig gebraucht, bis ich mich reingefunden hatte – so sehr verwirrte es mich zunächst, wie alle Schicksale, alle Leben irgendwo zusammenlaufen. Danach aber war es umso faszinierender, darüber zu lesen.

Und alles ist in einer sehr ausdrucksvollen, poetischen Sprache verfasst. Manche Sätze waren einfach so schön, dass ich die jeweiligen Absätze mehrfach gelesen habe.

„Wie eine zarte Daunenfeder schwebt das Du durch den Raum, erhebt sich über dem Herd in die Lüfte und lässt sich schließlich auf Hedis Schulter nieder.“

„Manchmal überrascht einen die Liebe auch von hinten. Ganz leise schleicht sie sich an dich heran, Katzenpfoten auf Fischgrätparkett, und stupst dir ihre feuchte Nase gegen die Wade.“

Dazu die Spannung, die den Leser und die Hauptfiguren umtreibt: Was hat es mit dieser geheimnisvollen Testamentseröffnung auf sich? Wieso müssen wir ein Jahr darauf warten und wieso soll es im Prater stattfinden? Nur einer weiß die Antwort und wir erfahren sie auch – ganz am Schluss.

„Stell dir folgende Szene vor. Julia sitzt mit hochgeknotetem Haar am Kamin und strickt, und Romeo raucht seine Pfeife und liest ihr aus der Zeitung vor. Vorhin haben sie ein wenig gezankt, weil das Essen verbrannt war, aber jetzt blicken sie einander in die Augen und wissen, dass sie sich trotz allem noch immer sehr gern haben und ohne einander nicht sein wollen.“