Rezension

Die Tochter des Magiers

Schottlands Wächter - Katharina Gerlach

Schottlands Wächter
von Katharina Gerlach

Bewertet mit 4 Sternen

Würde ich in Irland oder Schottland leben, gehörte selbstverständlich "das kleine Volk", die Welt der Feen und fantastischen Wesen, zu meinem Alltag. Bryanne McConnachie hatte als Kind nicht nur einen imaginären Freund, sondern unterhielt sich zur großen Beunruhigung ihres Vaters bei ihren Gesprächen hinter dem Sofa gleich mit einer ganzen Reihe von Fantasiegestalten. Inzwischen ist Bryanne fast erwachsen und nutzt im Schottland von heute öffentliche Verkehrsmittel und einen PC. Die Welt, wie sie sie sieht, wird jedoch von Figuren und Gegenständen aus einer anderen Welt überlagert, wenn z. B. mitten im Großstadtverkehr eine Kutsche auftaucht oder Bryanne sich in einem Bahnwaggon mit Holzsitzen wiederfindet. Ein erfahrener Magier hätte sofort bemerkt, dass jemand, der diese Übergänge wahrnehmen kann, selbst Magier sein muss. Bryannes Vater hat ihr offenbar verschwiegen, dass er nicht - wie bisher behauptet - in Edinburgh Professor für Monsterkunde ist, sondern ein mächtiger Magier, zuständig für die Schwachstellen im Weltengewebe an dessen Übergängen. Diese Wächter sollen u. a. dafür sorgen, dass die Welten-Bewohner bleiben wo sie sind und in den Nachbarländern keinen Unfug treiben. Den eigenen Vater als Magier zu outen, ist für eine Jugendliche sicher nicht angenehm; denn sie muss sich überraschend damit auseinandersetzen, ob sie selbst auch magische Fähigkeiten geerbt haben könnte. Bryanne begibt sich auf die Suche nach ihrem von einer verdächtigen Frau entführten Vater und muss damit rechnen, dass ein Kampf um die Nachfolge im Wächteramt ihn das Leben kosten könnte. Begleitet wird Bryanne auf ihrer gefährlichen Reise von Kaylee, deren Rolle im verwunschenen Weltengewebe das Mädchen noch nicht einschätzen kann. Die Reisenden geraten während ihres Abenteuers u. a. in eine ausgedehnte Unterwasserwelt.

"Schottlands Wächter" ist deutlich anzumerken, dass Katharina Gerlach als Autorin bereits Erfahrung gesammelt hat. Die schlanke Sprache, die weitgehend auf Adjektive verzichtet, passt ausgezeichnet zu einer zurückhaltenden, eher burschikosen Hauptfigur. Wenn die Autorin ausführlicher wird, hat das Beschriebene Hand und Fuß, wie in der Szene, in der Bryanne beobachtet, wie ein Faden gesponnen wird. Fakten und Legenden zu Schottland werden von Geschichtenerzählern in die Handlung eingebracht, so dass man sich beim Lesen nicht belehrt fühlen muss. Eine Hauptfigur, die von ihrer Autorin aus der Gegenwart in eine Parallelwelt gesendet wird, finde ich sehr viel glaubwürdiger als wenn eine historische taffe Frauenfigur in einer anderen Epoche auftreten würde. Die Sprache ist für die Zielgruppe junge Leser ab 10 zwar anspruchsvoll, aber problemlos verständlich. "Schottlands Wächter" hat auf mich einen sehr positiven Eindruck gemacht, der stärker zu 5 als zu 4 Sternen tendiert.