Rezension

Die tödliche Weite

Gliss. Tödliche Weite -

Gliss. Tödliche Weite
von Andreas Eschbach

Bewertet mit 4 Sternen

Ajit lebt in einer Welt, die von GLISS umgeben ist. Auf GLISS haftet nichts, es entsteht keine Reibung und kann weder bearbeitet noch bebaut werden. Seine Welt endet beim GLISS, weil es dahinter weder Orte noch Menschen gibt. Doch eines Tages gleitet eine Leiche aus den Weiten des GLISS hervor und Ajit ist klar, dass der Tote von irgendwo stammen muss. 

Andreas Eschbach holt den Leser auf einen fremden Planeten, wo eines Tages die Menschheit landet und leben lernt. Das Land ist von einem glatten Material namens Gliss umgeben, das ich mir wie das Meer vorgestellt habe. Allerdings ist Gliss hart, glatt und im wahrsten Sinne des Wortes reibungslos. Wenn man das Gliss betritt, schlittert man dahin, bis man von einem Hindernis aufgehalten beziehungsweise umgelenkt wird.

Der 17-jährige Ajit ist in dieser glissigen Welt aufgewachsen. Die Menschen nennen ihren Planeten "Hope" und sind dort mittlerweile seit mehreren Generationen zuhause. 

Eschbach nimmt sich Zeit, um dem Leser "Hope" und die neuplanetarische Gesellschaft vorzustellen. Anhand von Ajit erfährt man, was es mit Gliss auf sich hat, wie die Gesellschaft geordnet ist und wie das politische System funktioniert.

Ajit ist ein wissbegieriger junger Mann, dem es an Ehrgeiz fehlt. Auf mich hat er den Eindruck eines Landeis gemacht, das in einer beschränkten Perspektive aufgewachsen ist und plötzlich erstaunt in die Weite blickt. Ajit hat häufig ambitionierte Ideen, die er nur dank seines wilden Freundes Phil umsetzt. Er selbst ist eher zurückhaltend, die Ideenschmiede sozusagen, während Phil gerne mal zur Tat schreitet ohne vorher darüber nachzudenken. Was das angeht ergänzt sich dieses Duo perfekt. 

Da es Ajit anfangs an Weitblick fehlt, gerät er in eine brenzlige Situation, aus der ihm nur die Flucht nach vorne bleibt. Dadurch stößt er auf Wahrheiten, die noch kein ihm bekannter Mensch von Hope je zuvor gesehen hat.

Der Clou an diesem Roman ist eindeutig das Gliss, weil es den Planeten und die Welt neuartig erscheinen lässt. Es war spannend, sich auf das Gliss einzulassen und sich vorzustellen, wie man - mehr oder weniger - von einer richtig flutschigen Eisplatte, die nicht kalt ist - umgeben ist. 

Eschbach spricht weltbewegende Themen an, die uns alle angehen und beschäftigen. Es geht unter anderem darum, dass eine Generation auf das Wissen der Vorherigen aufbaut, sich weiterentwickelt, sich Neuem zuwendet und trotzdem über Riten, Feste und ihr Menschsein über Raum und Zeit hinweg bis in alle Ewigkeit miteinander verbunden ist. Ein Gedanke, der Trost spendet, aber auch eine Schattenseite hat: Wenn wir Überlieferungen nie in Frage stellen, woher wissen wir, dass sie wahr sind?

Die Handlung war meiner Meinung nach in Ordnung. Sie orientiert sich stark am Jugendbuch-Genre und war sehr geradlinig und damit vorhersehbar. Ich empfand das Geschehen recht einfach gestrickt, was im Kontrast zum komplexen Weltentwurf steht.

"Gliss" ist ein Science-Fiction-Roman für jedes Alter, da er meiner Meinung nach Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen anspricht, wobei er jüngeren, weniger erfahrenen Lesern bestimmt besser gefällt.