Rezension

Die Vergangenheit ruht nicht

Die gute Tochter - Karin Slaughter

Die gute Tochter
von Karin Slaughter

Bewertet mit 5 Sternen

Was würdest du tun, wenn du Opfer eines Gewaltverbrechens wurdest? Wenn du mitansehen müsstest, wie einer deiner liebsten Menschen vor deinen Augen ermordet wird? Wenn du selbst ermordet werden solltest, es aber überlebst? Die Schwestern Charlotte und Samantha erfahren genau das in Karin Slaughters neuem Thriller "Die gute Tochter". Unvorstellbar, wie das sein muss.

Als die zwei Schwestern zu ihrem eigenen Grab getrieben werden von zwei bewaffneten maskierten Männern, fleht die große Schwester Samantha die jüngere Charlotte an, wegzulaufen. Charlie läuft und läuft, sie läuft davon, nicht nur jetzt sondern auch in ihrem weiteren Leben. Sie ist getrieben vond en grauenhaften ERinnerungen, die Bilder ihrer erschossenen Mutter, die Todesangst ihrer Schwester und ihre eigene, sowie das Keuchen des Verfolgers.
28 Jahre später ist Charlotte eine erfolgreiche Anwältin, genau wie ihr Vater. Als sie Zeugin einer grauenhaften Bluttat wird, holt die Vergangenheit sie wieder ein.

Was wir hier für zwei starke und doch gebrochene Persönlichkeiten vor uns haben. Man erfährt als erstes was damals passiert ist, mit Charlotte im Besonderen. Was aus ihr geworden ist und wie sie ihr Leben lebt. Natürlich wird auch gleich von der erneuten Bluttat geschrieben, ein Amoklauf in der Middle School. In dieser hat auch Charlotte ihren Unterricht in Teenagerzeiten genossen. Sie gerät mitten hinein und mischt sich auch noch ein, so ist sie Zeugin und gleichermaßen Opfer - denn die Tat erinnert sie durchgehend an das grauenvoller Ereignis vor 28 Jahren. Damals sind zwei maskierte bewaffnete Männer in ihre Küche gestolpert und haben ihre Mutter erschossen, ihre Schwester Samantha in den Kopf und lebendig begraben. Charlotte ist davongekommen, aber nicht ohne tiefe seelische Wunden. Man liest die Stränge abwechseln in Charlottes und Samanthas Sicht und kann sich so ein Bild von den Charakteren machen.

Wer Karin Slaughter kennt, weiß, dass diese blutrünstige Thriller schreibt. Auch hier ist es blutig, die Tat an sich. Dennoch empfinde ich das hier eher als Drama statt Thriller. Hier werden die Erlebnisse der Schwestern verarbeitet und überhaupt die Familie ins Licht gestellt, wie es danach weitergeht. Sie erzählt hier einmal eine ganz andere Geschichte als ihre gewöhnlichen Thriller, was manche Fans wohl abschreckt, wenn man die negativen Rezensionen liest. Meines Erachtens hat sie hier ein großes Werk geschaffen, das zeigt, dass sie auch in anderen Genres wunderbar Geschichten spinnen kann und einen so gefesselt mit dem dicken Buch zurücklässt. Ich selbst konnte es kaum aus der Hand legen und musste unbedingt wissen, wie es den Schwestern ergeht und was sie noch erwartet.

Der Schreibstil ist locker und flüssig und auch die Dialoge leiten dazu, dass man schnell vorankommt. Wie von Slaughter gewohnt, wird man hier im Lesefluss kaum unterbrochen. Auch die Spannung ist genügend vorhanden, auch wenn es kein richtiger Thriller ist, sondern eher Familiendrama rund um die Tragödie, die sich vor 28 Jahren ereignet hat. Es hat eher einen psychologischen Hintergrund und durchleitet die Traumatas der Schwestern.

Es ist ein Buch, das tiefer geht, das einen tief bei den eigenen Wurzeln packt und den Atem gefrieren lässt, den man ausstößt vor Schock. Denn was hier im Buch geschrieben ist, ist nichts für schwache Nerven. Slaughter erzählt wie gewohnt alles bis ins Detail und lässt auch nicht das Grausame aus. Wenn man sich als Fan auf eine andere Art von Thriller bzw. Drama von der heiß begehrten Autorin einlassen kann, ist man hier genau richtig!