Rezension

Direkte, offene, humorvolle, tabulose Mischung aus Sachbuch und Autobiografie, die einem die Augen öffnet!

Sie hat Bock - Katja Lewina

Sie hat Bock
von Katja Lewina

~ In ihrem Sachbuch kombiniert Autorin Katja Lewina auf gelungene Weise Ratgeber, feministisches Manifest und Autobiografie. Sie widerlegt Mythen, zitiert Studien, öffnet uns die Augen und spricht sehr unaufgeregt, offen, humorvoll und tabulos über ihr Liebesleben. Die Autorin beschäftigt sich dabei mit vielen verschiedenen Themen wie Verhütung, Doppelmoral, Sexismus und sexualisierte Gewalt. Ich jedenfalls konnte beim Lesen viel Neues dazulernen. Anderes war mir schon vorher bekannt und in manchen Kapiteln hätte die Autorin gerne noch in die Tiefe gehen können. Ich denke deshalb, dass sich dieses Buch besonders gut als Einführungswerk zum Thema eignet. Nur selten konnte ich die Meinung der Autorin nicht teilen (z. B. was Prostitution und Kaiserschnitt betrifft). Einerseits fand ich ihre offene, direkte und nahbare Sprache perfekt für dieses Buch, andererseits war der Schreibstil für mich als Liebhaberin von ästhetischer, „schön“ geschriebener Literatur – nach einer Weile etwas anstrengend zu lesen. Ich habe das Buch aber auch an einem Tag durchgelesen (ich konnte es kaum aus der Hand legen!), daher mein Tipp: Lieber häppchenweise lesen und sich genügend Zeit nehmen, die Zeilen wirken zu lassen – dann findet man das Buch sicher noch besser. Solange Sexismus und Misogynie so weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind, brauchen wir Bücher wie „Sie hat Bock“, die Frauen helfen, Mythen von der Wahrheit zu unterscheiden, sich auch sexuell zu emanzipieren und sich nicht mehr so viel gefallen zu lassen. Damit hat die Autorin viel für den Feminismus und somit auch für Gleichberechtigung getan. Deshalb ein großes „Danke!“ an Katja Lewina dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat! Natürlich gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung – besonders auch für Männer! ~

Inhalt

Die Feministin und Autorin stellt weibliches Begehren in den Mittelpunkt und fragt, wie sexistisch unser Sex eigentlich ist.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (Sachbuch)
Tiere im Buch: ♥ Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt (u. a. Vergewaltigung), Sexismus, Body Shaming, Suizid (in einem Nebensatz erwähnt)

Warum dieses Buch?

Als Frau und Feministin interessiere ich mich sehr für feministische Literatur, die auf strukturelle Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau aufmerksam macht und diese diskutiert und kritisiert. Da ich noch kein Buch zum Thema weibliches Begehren gelesen hatte, weckte „Sie hat Bock“ meine Neugier. Gelesen habe ich es vor allem wegen der vielen positiven Buchbesprechungen und weil unter anderem geschrieben wurde, dass jede/r  dieses Sachbuch gelesen haben sollte.

Meine Meinung

Einstieg (4 Sterne)  

„Weibliche Sexualität als normaler Bestandteil des Lebens scheint in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu existieren.“ E-Book, Position 381

Der Einstieg ins Buch verlief problemlos. Obwohl ich auf den ersten Seiten manchmal bei der Wortwahl der Autorin zusammengezuckt bin, traf sie so oft den Nagel auf den Kopf, dass ich nur still nicken konnte und unbedingt weiterlesen wollte.  

Inhalt (4 Lilien)

„Sexualität ist keine Einbahnstraße ohne Anhalte- und Umkehrmöglichkeit. Und doch wird sie allzu oft genau so gelebt und für normal befunden.“ E-Book, Position 1321

In ihrem Sachbuch kombiniert Autorin Katja Lewina auf gelungene Weise Ratgeber, feministisches Manifest und Autobiografie und spricht Dinge aus, die dringend einmal gesagt werden müssen. Sie klärt auf, zitiert Studien, öffnet uns die Augen und berichtet auf beeindruckend direkte und tabulose Weise aus ihrem eigenen Leben. Wo es nämlich Tabus gibt, können Missstände (die gravierend sein können) nicht angesprochen werden. Gerade das ist das Problem, das es im Bereich Sexualität gibt. Der Gender Pay Gap wird in der Gesellschaft mit gewisser Regelmäßigkeit diskutiert und kritisiert, doch wenn es um weibliches Begehren und sexistischen Sex geht, werden Ungerechtigkeiten immer noch totgeschwiegen. Mit diesem Buch bricht Katja Lewina das Schweigen und spricht so unaufgeregt und offen über ihr Liebesleben, dass es einem selbst nach ein paar Seiten ganz selbstverständlich vorkommt!

Die Autorin beschäftigt sich dabei mit vielen verschiedenen Themen (hier ist garantiert für jede und jeden etwas dabei!) wie offene Beziehungen, Verhütung, Jungfräulichkeit, Doppelmoral, Sexismus, Rasierzwang, sexualisierte Gewalt, Victim Blaming und Rape Culture. Dabei werden auf spannende Weise viele Mythen widerlegt. Ich jedenfalls konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen und beim Lesen viel Neues dazulernen – über manche Dinge hatte ich mir bis dahin noch gar keine Gedanken gemacht. Immer wieder dachte ich „Yes!“ und nickte beim Lesen zustimmend mit dem Kopf. Anderes war mir schon vorher bekannt und in manchen Kapiteln hätte die Autorin gerne noch in die Tiefe gehen können. Ich denke deshalb, dass sich dieses Buch besonders gut als Einführungswerk zum Thema „Feminismus und weibliches Begehren“ eignet.

Nur selten konnte ich die Meinung der Autorin nicht teilen: Zum Beispiel ist für mich Prostitution eben keine Arbeit wie jede andere (meiner Meinung wurde das Problem etwas verharmlost) und ein Wunschkaiserschnitt ist nicht „hirnverballert“, sondern in einer Zeit, in der schätzungsweise immer noch die Hälfte aller Gebärenden Opfer von Gewalt unter der Geburt wird, eine legitime Entscheidung, die akzeptiert werden sollte. Durch diese Wahlmöglichkeit können Frauen selbstbestimmt entscheiden, wie sie gebären möchten, und das sollte von FeministInnen doch gutgeheißen werden.

Als Frau wird man zwangsläufig mit Sexismus und Misogynie konfrontiert – ich bin da natürlich keine Ausnahme. Männer werden gefeiert, wenn sie ein selbstbestimmtes, aktives Liebesleben haben, Frauen beschimpft. Sie sind Schlam++, Hu++ oder Dorfmatratzen, ihr Wert wird auch im Jahre 2020 von manchen Leuten immer noch an der Anzahl ihrer LiebhaberInnen bemessen. Von einem jungen Mann in meinem Alter bekam ich zum Beispiel zu hören, dass eine junge Frau, die gerne One-Night-Stands hat, als Mensch wertlos sei. Mir wurde gesagt, dass es Vergewaltigung in einer funktionierenden Ehe nicht gibt (oder wohl eher das sie nicht so genannt werden soll!) und wenn man sich mal in den Kommentarspalten von Zeitungsartikeln umsieht, wenn wieder Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen gefeierten Promi auftauchen, steht da nicht: „Was können wir gegen sexualisierte Gewalt tun? Warum wurde er zum Täter?“, sondern „Aber hatte sie einen kurzen Rock an? Warum hat sie so viel getrunken? Wieso musste sie auch durch diese dunkle Gasse gehen? Hat sie ihn nicht vorher in die Wohnung gelassen? Sie hat doch gewusst, was dann passieren würde, oder nicht? Bestimmt wollte sie es doch!“. Und solange Sexismus und Misogynie so weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind, brauchen wir Bücher wie „Sie hat Bock“, die Frauen helfen, Mythen von der Wahrheit zu unterscheiden, sich auch sexuell zu emanzipieren und sich nicht mehr so viel gefallen zu lassen! Deshalb ein großes „Danke!“ an Katja Lewina dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat!

„Ich persönlich kenne keine einzige Frau, die von der Verletzung ihrer sexuellen Grenzen verschont geblieben wäre.“ E-Book, Position 1209

Schreibstil & Verständlichkeit (4 Sterne)

„Auf der Straße, in der Koje, bei der Arbeit, selbst auf dem verdammten Kinderspielplatz – als Frau bin ich daran gewöhnt, dass mein Aussehen in jeder Lage ungefragt von Männern bewertet und kommentiert wird. Sie nennen mich Göttin, Abschaum oder irgendwas dazwischen, heben mich hoch oder trampeln auf mir rum […].“ E-Book, Position 1372

Eines kann man mit Sicherheit nicht sagen: dass „Sie hat Bock“ sehr ästhetisch oder poetisch geschrieben wäre. Im Gegenteil, Katja Lewina nimmt kein Blatt vor den Mund, nennt die Dinge beim (oft wenig eleganten) Namen und kennt keine Tabus. Einerseits fand ich ihre offene, schonungslose, direkte, nahbare und lockere Sprache perfekt für dieses Buch. In einer anderen Besprechung wurde geschrieben, dass die Autorin „mit der Faust auf den Tisch haut“ – ich denke, besser kann man den Schreibstil nicht beschreiben. Genau das haben wir alle bei diesem Thema mal gebraucht! Nicht jemanden, der zurückhaltend argumentiert, sondern jemanden, der Augen öffnet und zu den Leuten durchdringt, indem er sagt: „So ist das im Moment und das ist unfair, verdammt noch mal!“

Andererseits war der Schreibstil für mich – eine Liebhaberin von ästhetischer, „schön“ geschriebener Literatur – nach einer Weile etwas anstrengend zu lesen. Ich habe das Buch aber auch an einem Tag durchgelesen, daher mein Tipp: Häppchenweise lesen und sich genügend Zeit nehmen, die Zeilen wirken zu lassen – dann findet man das Buch sicher noch besser.

Humor (4 Lilien)

Auch der Humor, mit dem die Autorin von eigenen Erfahrungen erzählt, konnte mich überzeugen. Auch wenn es nur selten lustige Passagen gibt, haben diese mir dafür immer ein Schmunzeln oder kurzes Auflachen entlockt.

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Mit diesem Augen öffnenden, tabulosen Werk über wichtige Themen – weibliches Begehren und sexistischen Sex – hat die Feministin Katja Lewina viel für den Feminismus und somit auch für die Gleichberechtigung getan. Deshalb gibt es hier natürlich auch alle Punkte!

Mein Fazit

In ihrem Sachbuch kombiniert Autorin Katja Lewina auf gelungene Weise Ratgeber, feministisches Manifest und Autobiografie. Sie widerlegt Mythen, zitiert Studien, öffnet uns die Augen und spricht sehr unaufgeregt, offen, humorvoll und tabulos über ihr Liebesleben. Die Autorin beschäftigt sich dabei mit vielen verschiedenen Themen wie Verhütung, Doppelmoral, Sexismus und sexualisierte Gewalt. Ich jedenfalls konnte beim Lesen viel Neues dazulernen. Anderes war mir schon vorher bekannt und in manchen Kapiteln hätte die Autorin gerne noch in die Tiefe gehen können. Ich denke deshalb, dass sich dieses Buch besonders gut als Einführungswerk zum Thema eignet. Nur selten konnte ich die Meinung der Autorin nicht teilen (z. B. was Prostitution und Kaiserschnitt betrifft). Einerseits fand ich ihre offene, direkte und nahbare Sprache perfekt für dieses Buch, andererseits war der Schreibstil für mich als Liebhaberin von ästhetischer, „schön“ geschriebener Literatur – nach einer Weile etwas anstrengend zu lesen. Ich habe das Buch aber auch an einem Tag durchgelesen (ich konnte es kaum aus der Hand legen!), daher mein Tipp: Lieber häppchenweise lesen und sich genügend Zeit nehmen, die Zeilen wirken zu lassen – dann findet man das Buch sicher noch besser. Solange Sexismus und Misogynie so weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind, brauchen wir Bücher wie „Sie hat Bock“, die Frauen helfen, Mythen von der Wahrheit zu unterscheiden, sich auch sexuell zu emanzipieren und sich nicht mehr so viel gefallen zu lassen. Damit hat die Autorin viel für den Feminismus und somit auch für Gleichberechtigung getan. Deshalb ein großes „Danke!“ an Katja Lewina dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat! Natürlich gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung – besonders auch für Männer!

Bewertung

Einstieg: 4 Lilien
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Humor: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier Lilien!