Rezension

Dokumentation oder Fiktion?

Die Verlassenen -

Die Verlassenen
von Matthias Jügler

Zugegeben: Bevor ich das schon im Regal stehende Buch "Die Verlassenen" las, hörte ich zufällig ein Interview mit dem Autor im MDR Kultur Radio. So erfuhr ich vorab, dass es sich bei dieser Geschichte über die menschlichen Folgen von Stasi-Machenschaften um einen Roman mit "gefälschten" Stasi-Unterlagen und Fotonachweisen handelt. Ganz ehrlich, hätte ich das nicht vorab gewusst, ich wär reingefallen und hätte den Roman als "autofiktional" gelesen.

Der Ich-Erzähler schildert mit recht einfacher, manchmal ungelenker Sprache, mithilfe von Rückblicken und angeblichen Kopien von Stasi-Akten seine Lebensgeschichte mit dem Tod der Mutter im Alter von fünf Jahren, das plötzliche Verschwinden des Vaters acht Jahre später in 1994 und den Tod der einzigen verbleibenden Verwandten, der Großmutter wenige Jahre später. 

Zunächst nervte mich die einfache Sprache des Erzählers, das fast zwanghafte und scheinbar um Authentizität bemühte Benennen von realen Orten in Halle an der Saale (übrigens der Geburtsort des Autors), sowie auch später ein wenig die "überzufällige" Schicksalhaftigkeit der Lebensgeschichte. Trotzdem entwickelte der Roman in seiner Kürze einen Sog auf mich, dass ich gespannt wie beim Lesen eines Thrillers, endlich erfahren wollte, was denn nun wirklich mit der Mutter und dem Vater des Ich-Erzählers geschehen ist. Fast erschrocken und verwirrt, unzufrieden und nach Rache lechzend bleibt man zurück. Da ist das Buch schon vorbei, die Geschichte erzählt und man selbst zurückgeworfen auf die eigenen Erfahrungen, Gefühle, Erinnerungen. Unerwartet tiefgründig bleiben die nur 170 Seiten im Gedächtnis. Ein durchaus lesenwerter Roman, der durch seine Kürze letztendlich besticht und kein Wort zu viel aufweist.