Rezension

Drängende ökologische Probleme - in einem Ort am Wasser

Der brennende See
von John von Düffel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Hannah muss nach dem Tode ihres Vaters dessen Haushalt auflösen und hat einen Termin mit dem Nachlassverwalter Lüders vor sich. Ihr Vater hatte sie als Kind nach der Trennung von seiner Frau  allein versorgt. Bis ins hohe Alter war er leidenschaftlicher Schwimmer gewesen, verstummte jedoch als Schriftsteller. Wo er auch lebte, hatte man von ihm den Eindruck, er wäre ein Fremder und nur auf der Durchreise. Dass Gedächtnislücken seine abnehmende geistige Leistungskraft ankündigten, hat Hannah bei ihren letzten Besuchen nur zu gern verdrängt. Als Lesezeichen in einem Buch findet sie in der Wohnung das Foto einer jungen Frau und will - auch von schlechtem Gewissen angetrieben - unbedingt ergründen, ob die abgebildete Julia ihrem Vater näher gestanden haben könnte als Hannah selbst. Auf den einfachen Kiesweiher, in dem der Vater seine Bahnen zog, war Hannah als Kind schon eifersüchtig. Nun zerren dieser See und Hannahs Begegnung mit ihrer Heimatstadt private und ökologische Probleme in den Focus. Durch notarielle Verfügungen über mögliche Tantiemen ihres Vaters fühlt Hannah sich entthront. Bei anderen weckt der See Begehrlichkeiten nach der Bebauung von Ufergrundstücken und einer Sperrung des öffentlichen Zugangs. Profite sollen offenbar in Privathänden landen,  eine Grundwassersenkung und die Versiegelung der Landschaft durch Bebauung auf Kosten der Allgemeinheit stattfinden. Hannahs Begegnung mit ihrer Jugendfreundin und deren erwachsenen Kindern konfrontiert sie mit diesen Konflikten. Die „Ende-der-Geduld-Bewegung“ ist als Folge-Organisation von Fridays For Future aktiv – und Hannahs Vater hatte mit den junge Leuten sympathisiert.

Jedes Kapitel beginnt mit einem Wetterbericht aus einem beunruhigend warmen April. Mit dem Klimawandel scheint die vertraute Welt endgültig verschwunden. Häufige Waldbrände, ungewöhnlich früher Pollenflug und hoher Ozongehalt der Luft belasten die Menschen.

Beinahe  zu viele  Probleme siedelt John von Düffel hier um einen ehemaligen Kiesweiher an. Ein schwieriges Vater-Tochter-Verhältnis, Sorgen von Existenzgründern, eine alternde Gesellschaft und der Umgang zweier Generationen mit dem Klimawandel sind nur einige davon. Die Verknüpfung privater, geschäftlicher und ökologischer Fragen und die Ansiedlung seiner Romane „am Wasser“ sind John von Düffels Markenzeichen und haben mich schon früher angesprochen. Neben Hannahs und Julias Vatersuche steht in seinem neuen Roman die Frage im Mittelpunkt, was wir der folgenden Generation vererben und für was wir Verantwortung tragen – für die Familie, die Gesellschaft, den Planeten?

 

Zitat

Falls es in der Nähe einen Schauer gegeben hatte, musste der Niederschlag bis auf die letzte Pfütze verdampft sein. Ein leichter Regengeruch lag in der Luft. Aber damit es wirklich regnete, schien irgendetwas zu fehlen im Himmel über ihr, irgendein Riss oder Zusammenstoß, damit dieses graue, gestaltlose Wolkenplateau sein Wasser hergab.“ (Seite 301)