Rezension

Du sollst Vater und Mutter ehren

Hanna: Sammelband - Kerstin Rachfahl

Hanna: Sammelband
von Kerstin Rachfahl

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch besteht aus zwei Einzelbänden, die man aber ohnehin eher als Einheit lesen sollte, "Hannas Wahrheit" (1) und "Hannas Entscheidung" (2). Ich habe beide einzeln gelesen, weil ich als Gewinn ein dreimonatiges Testabo von kindleunlimited hatte, das dann aber quasi doch wieder zusammen, weil in einem Rutsch...

zu Band 1:

„Dem Tod ins Auge blickend, ließ Hanna den Finger auf dem Auslöser, der in Bruchteilen von Sekunden ein Bild nach dem anderen machte. Sie hörte Schüsse und wartete darauf, dass die Kugel in ihren Körper eindrang, doch stattdessen…“ S. 11f.
Fotografin Hanna, 28, ist wie schon oft auf Reisen mit ihrem väterlichen Kollegen Harald Winter, der die Reportagen für National Geographic schreibt, die zusammen mit ihren einfühlsamen Fotos erscheinen. Dieses Mal geht es um Umweltschäden durch Erdölförderung im Nigerdelta; sie sind in Nigeria unterwegs, als sie von ihrem Fahrer eingeladen werden, ihn in das Dorf zu begleiten, in dem seine Schwester lebt. Nach einem friedlichen Abend fallen bewaffnete Söldner in das Dorf ein und ein Albtraum beginnt. Als einzige knapp entkommen mit kleinen Blessuren finden sich Hanna und Harry plötzlich deutschem Militär gegenüber. Major Ben Wahlstrom setzt besonders Hanna und Druck: anhand ihrer Fotos sollen endlich Fortschritte gemacht werden gegen die zunehmenden Aktivitäten von Söldnern. Aber ist das alles?

„Sie konnte es sich nicht leisten, schwach zu sein. Sie hatte es sich noch nie leisten können.“ S. 14 Hannas Trauma aus ihrer Jugendzeit erschwert die Situation, gleichzeitig entsteht eine zwiespältige Situation zwischen dem Major und ihr, mit einem Wechsel zwischen Misstrauen, gegenseitigem Austricksen, Respekt und Faszination. Die Firma von Hannas Stiefvater, in der auch ihre geliebte Zwillingsschwester arbeitet, engagierte sich für das ausgelöschte Dorf – besteht ein Zusammenhang? Wahlstrom wird auf die junge Frau angesetzt, die dadurch nicht nur privat zwischen alle Fronten gerät, sondern sich auch im Visier diverser Dienste und Organisationen wiederfindet. Was hat Zwillingsschwester Marie mit der Sache zu tun? Hanna fühlt sich gebunden an ein Versprechen, dass sie ihrem früh gestorbenen Vater gegeben hatte. Spannend, mit einem feinen ironischen Humor und einem kleinen Schuss Emotion!

Ich hatte das Buch über eine Verlosung entdeckt, bei der ich leider glücklos blieb, und es kurzerhand danach als ebook geladen; der Einstieg in eine recht kurze Nacht… Themen in Krimis/Thrillern mit Hintergründen in Politik und Wirtschaft finde ich immer spannend, hier wird das mit etlichen Hintergrundinformationen gewürzt, sobald Hanna denn beginnt, der eigentlichen Ursache auf die Spur zu kommen. Der Autorin Kerstin Rachfahl gelingt auch diese Vermittlung von Informationen sehr gut, ebenso die diversen Hackertricks, medizinischen Hintergrunde unter anderem zu Hanna – unterhaltsam, nicht überfordernd oder belehrend. Spannung entsteht sowohl durch die undurchsichtige Situation mit zunehmender Bedrohung für Hanna als auch durch die diversen Auseinandersetzungen mit Ben Wahlstrom – jaaa, man hört da schon etwas heraus, aber soooo einfach ist es dann doch definitiv nicht. Dazu sind beide zu vorbelastet, auch wenn ich den Begriff der „beschädigten Ermittler“ hier nicht bemühen würde. Hanna speziell würde es sich wohl verbieten und Ben ist einfach zu sehr Profi.

Besonders fand ich, welche Rolle Hannas christlicher Glaube spielte, es kam einfach rüber, was für sie ihre persönliche Kraftquelle ist, auch, wenn es genug „anders gestrickte“ Protagonisten im Buch gibt. Mich stört persönlich sowohl, wenn in Büchern Glaube als irgendwie veraltet oder schrullig dargestellt wird, als auch Bücher, die im Glauben einfache Lösungen für alles bieten wollen, am besten sofort und mit so einem „salbungsvollen“ Grundton. Das ist hier einfach gekonnt gemacht, nicht blutleer und oberflächlich, auch nicht weltfremd oder abgehoben. Manko? Es gibt einen zweiten Band, eigentlich muss man den gleich im Anschluss lesen, Nächte werden dadurch auch nicht länger… An ein paar Stellen hat die Zeichensetzung in der ebook-Ausgabe noch Fehlerchen, aber nichts "Wildes".

zu Band 2: sooo, jetzt wird's schwierig, ohne zu spoilern.... ggf. also bitte hier aufhören ;-)

Hanna war vor Gericht aufgetreten und lebt jetzt im Zeugenschutzprogramm, musste sich mühselig eine neue Existenz aufbauen. Das Leben der früheren Fotografin wird weiterhin bedroht. Mit niemandem aus der Vergangenheit darf sie Kontakt halten, ihre Mutter und Zwillingsschwester Marie halten sie ebenfalls für tot. Mit Nebenjobs und der Arbeit zur frühchristlichen Geschichte lebt sie nun als Sabine Schmidt in Rom. Da taucht ein Mann aus ihrer Vergangenheit auf, er hatte den Auftrag gehabt, sie zu „knacken“. Was er jetzt will, weiß er selbst noch nicht – und stürzt auch sie damit ins Chaos. Doch wenn ein Mann sie finden kann, können auch andere sie finden. Und noch immer hat Hanna sich nicht mit allen ihren Vermutungen zu den Verbrechen auseinander gesetzt.

Hanna muss mit Marie sprechen, doch was ist mit Marie? Wer ist Freund, wer ist Feind? Dann gibt es einen Toten, Hanna taucht unter und die Ereignisse überschlagen sich. Nicht unproblematisch auch, wenn die wichtigsten Charaktere sich selbst oder andere schützen wollen, etwas nicht glauben wollen, und deshalb nicht alle Karten auf den Tisch legen, sich selbst und andere belügen. Weiterhin verlässt sich Hanna vor allem auf ihren starken Glauben.

Fazit: Wie gehabt, spannend, mit einer besonderen Protagonistin, die ihre Schwächen in Stärke verwandelt und das Böse schon dadurch bekämpft, dass sie sich bestimmte Denkweisen nicht gestattet. Aber auch die Nebenfiguren sind gut gezeichnet. Leider dann auch der letzte Teil der Mini-Serie voller Spannung, Ironie, Humor und einem Schuss Romantik.
 

Mir haben beide Teilbände sehr gefallen, Teil 1 noch einen Hauch mehr als Teil 2. Empfehlung, 5 Sterne.