Rezension

Düster, beklemmend und erschütternd

Julia -

Julia
von Sandra Newman

„1984“ ist eines dieser Bücher, dass ich immer wieder lesen und jedes Mal etwas Neues für mich entdecken und mitnehmen könnte. Sandra Newman greift den Inhalt dieser Dystopie auf und erzählt sie aus Sicht der weiblichen Hauptfigur neu, gibt ihr einen neuen Fokus und starke weibliche Stimmen in einer männerdominierten Handlung.

 

Zum Inhalt: Julia arbeitet als Maschinistin und ist bei den anderen Arbeiterinnen beliebt und angesehen. Julia ist sich in ihrer Rolle im System recht sicher und erlaubt sich immer wieder kleine Revolten als Akt der Rebellion. Ihre neuste Revolte ist eine Schwärmerei für den griesgrämigen Winston und obwohl Julia weiß, dass eine auffliegende sexuelle Beziehung ihr Untergang sein könnte, kann sie nciht von ihm ablassen. Doch der Große Bruder hat seine Augen überall und Julia droht alles zu verlieren und zum Spielball des Systems zu werden.

 

Was mir gut gefallen hat ist, dass eindeutige Parallelen zum Original von Orwell erkennbar sind, bestimmte Situationen, die man seinem Werk kennt, jetzt aus Julias Sicht quasi die Ursprungshandlung ergänzen, die Autorin aber trotzdem ein eigenständiges Werk geschaffen hat, das einen anderen Fokus legt als Orwell und die Story noch weitertreibt. „Julia“ kann auch gut unabhängig von „1984“ gelesen werden.

 

Wie im Original wird auch hier stark mit Sprache gearbeitet. Der Neusprech der Figuren ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dient aber dazu auch unterschwellig zu vermitteln, in welcher Art System sich die Figuren bewegen. Es wird viel mit extremen Emotionen gearbeitet. Vor allem Julias Lust und sexuelle Selbstbestimmung nehmen einen großen Anteil im Buch ein, an manchen Stellen mutet die Handlung fast schon vulgär an und sexuelle Handlungen haben oft den Unterton von Gewalt, Zwang oder Scham. Als Stilmittel interessant gewählt, musste ich das Buch doch öfter mal aus der Hand legen, weil ich es schon heftig fand wie andere, aber auch Julia selbst über ihren Körper verfügen.

 

Das Buch entwickelt eine sehr dunkle Sogwirkung. So schrecklich wie ich bestimmte Szenen empfand, wollte ich doch unbedingt weiterlesen und rausfinden, wie es mit Julias Leben weitergeht. Das Buch arbeitet mit starken Bildern und regt schon auch zum Nachdenken an und besonders das Ende habe ich als netten, stilistischen Kniff empfunden.

In Sachen Gesellschaftskritik steht Newmans Werk dem Original eindeutig nach, ich würde schon sagen, dass hier der Unterhaltungsaspekt, sofern man bei den aufgegriffenen Themen von Unterhaltung im klassischen Sinne reden kann, im Vordergrund steht. Das Buch soll gefühlt abstoßen und schockieren. Was für mich durchaus funktioniert hat. Wer eher zart besaitet ist, sollte von dieser Lektüre vielleicht Abstand nehmen, für mich war es aber ein nette Ergänzung zum Original, die ich unter diesem Aspekt gerne gelesen habe.