Rezension

Gelungene Nacherzählung

Julia -

Julia
von Sandra Newman

Bewertet mit 4 Sternen

Julia schlägt sich gut durch das stets überwachte Leben durch den Großen Bruder. Auch einige Geheimnisse hat sie zu verbergen, doch alles wird immer schlimmer, nachdem sie eine Affäre mit Winston Smith beginnt. Und auf einmal gerät sie in das Visier der Liebe.

 

Das Cover ist jetzt nicht so der große Hingucker finde ich. Obwohl es natürlich sehr cool gemacht ist und so den Bezug deutlich zu dem Originalbuch von George Orwell zieht.

Und da haben wir auch schon den Kern dieses Romanes, denn Sandra Newman beschreibt hier aus der Sicht von Julia die Ereignisse rund um Orwells Buch 1984.

Es ist schon einige Zeit her, dass ich den Roman von George Orwell gelesen habe, deshalb waren mir die Einzelheiten nicht mehr so präsent (ich werde demnächst das Buch nochmal rereaden, weil ich den direkten Vergleich doch gerne hätte). Aber auch so hat mir die Lektüre des Buches sehr gut gefallen. Julia lebt in einer Welt, in der jeder Schritt überwacht wird und alle stets aufpassen müssen, was sie sagen und tun. Wobei jede*r weiß, was eine*m blüht, wenn mensch sich falsch verhält. Dann gerät mensch in den Fokus der Liebe und das heißt, Folter und Ausschluss aus der Gemeinschaft. Julia hat genau den richtigen Weg für sich gefunden, um in dieser Welt so gut wie möglich zu leben und sich trotzdem auch einige Vergnügungen zu erlauben. Wobei sie sich mehr über ihren Körper und ihre Sexualität identifiziert und genau so gerät sie doch in das Visier eines Beamten der Liebe. Dieser erteilt ihr einen Auftrag, den sie, ohne zu zögern annimmt und dann aber feststellen muss, dass sie niemandem trauen kann.

Julia wirkt an vielen Stellen für mich sehr naiv, weil sie sich einfach keine großen Gedanken über Konsequenzen macht. Was aber vielleicht auch daran liegen könnte, dass sie nicht verschleppt werden möchte. Denn was aus jemanden wird, der sich nicht an die Regeln hält, sieht sie ja öfter mal. Doch dann hat sie wieder ihre Momente, in denen sie mir sehr taff vorkommt und fast schon hinter den Schleier der Partei blicken kann. Doch manchmal fehlt ihr dann doch der letzte Schritt.

Die Welt in der Julia und Winston leben ist bizarr und manchmal ungewollt komisch, denn sobald sich zum Beispiel der Feind der Partei ändert, müssen alle Bücher umgeschrieben werden und bei der stetigen Änderung der Sprache (Neusprech genannt) scheint niemand so wirklich Schritt halten zu können. Doch schon Orwell wollte damit deutlich machen, wie absurd ein totalitärer Überwachungsstaat ist und wie die Menschen in diesem gezielt manipuliert werden. Und auch diese Neuerzählung steht dem in nichts nach. Julia wird ihr Leben lang von allen möglichen Menschen in ihrem Umfeld manipuliert und merkt es nicht immer, oder sie bemerkt es und akzeptiert es, denn wie soll sie sonst überleben?

Wie gesagt, ist meine Erinnerung an das Original nicht mehr so genau, aber ich finde trotzdem die Kernaussage hat die Autorin wunderbar rübergebracht und mit Julia eine eigene, interessante Figur geschaffen, die sich gut in diesen Kosmos einfügt und trotzdem ihre eigene Geschichte erzählt. Eine wirklich gelungene Neuerzählung.

 

Mein Fazit: Julia ist eine Figur, die den totalitären Staat, in dem sie lebt, sehr gut widerspiegelt. Sie fügt sich rein und hinterfragt viele Dinge nicht, denn warum auch, die Partei kümmert sich schon darum und über alles wacht sowieso der Große Bruder. Und doch versucht sie sich durch kleine Dinge, ihr Leben zu verschönern. Ein interessanter Roman, der den Klassiker von damals zu neuem Leben erweckt und mir sehr gut gefallen hat. Eine Leseempfehlung von mir.