Rezension

Düstere Zukunftsvision

[identität] - Christian Lorenz

[identität]
von Christian Lorenz

Bewertet mit 3.5 Sternen

Deutschland, irgendwann in der Zukunft: Der Euro wurde abgeschafft, die Reichen schotten sich in ihren Vierteln ab, die Digitalisierung ist vorangeschritten, Überwachung ist immer und überall möglich. Minke Böckenhauer arbeitet als Informationsbeschafferin, gelegentlich verschafft sie auch neue Identitäten. Sie hat sich aus Berlin zurückgezogen und wohnt in einem kleinen Dorf in Mecklenburg. Dort genießt sie das beschauliche Landleben, bis eines Tages ein Mann in ihrem Garten steht, der umsonst für sie arbeiten will. Wer er ist? Das weiß er selbst nicht …

Eigenmächtig beginnt Minke zu recherchieren, um wen es sich handeln könnte. Dabei geht es bald nicht nur um den Skandal von Leiharbeitern aus dem Knast. Illegale Medikamententests kommen zutage und dann gibt es noch die Leute, die von der Wiedereinführung der D-Mark in Deutschland profitiert haben. An Minke Böckenhauers Gast haben gleich mehrere Interesse – und die Jagd beginnt. Doch welches Interesse? Was weiß der Fremde? Weiß er überhaupt noch etwas? Und wer entführt ihn, um ihn zu schützen?

Die Mischung aus Spannung und Zukunftsvision ist das, was Christian Lorenz’ Buch ausmacht. Auf der einen Seite wird eine Geschichte erzählt, die aufgelöst werden will – auch wenn anfangs die Fragen bei Weitem überwiegen. Und auf der anderen Seite ist der Blick in die Zukunft, der zwischen Utopie und Dystopie schwankt. Um die Macht im Netz geht es da, die Lenkung der Meinung durch und um die eigene Identität. Und natürlich geht es auch um die Gewinner und die Verlierer des Fortschritts.

Da passt es schon, dass die Hauptfigur, Minke Böckenhauer, sich aus dem Moloch Berlin zurückgezogen hat und auf dem Land lebt.  Hier gelingt es Christian Lorenz gut, den starken Gegensatz zwischen (digitalisierter) Stadt und dem Dorf als Rückzugsort darzustellen. Gerade das Beschreibende macht [Identität] aus. Wer einen Thriller mit rasantem Tempo erwartet, wird hier nicht bedient. Christian Lorenz geht es um die leisen Töne, um keckernde Eichelhäher zum Beispiel.

Fazit: Ein gutes Buch, wobei man sich auch auf Stellen einlassen muss, die eher Landschaft und Stimmung beschreiben - man bekommt nicht nur Spannung serviert.