Rezension

Echt - wie der Titel schon sagt

Hier im echten Leben -

Hier im echten Leben
von Sara Pennypacker

Dieses Buch ist kein 'Star'. Es ist nicht besonders spannend, es ist nicht besonders schick, es ist nicht besonders bekannt. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was es an sich besonders macht?

Die Hauptfiguren Ware und Jolene sind ebenfalls - sagen wir mal zumindest auf den ersten Blick - nicht besonders spannend, nicht besonders schick und schon gar nicht bekannt oder beliebt. Die Story eigentlich auch nicht. Der empfindsame Ware wird von seinen berufstätigen Eltern in den Ferien gegen seinen Willen bei einer Ferienbetreuung angemeldet, flüchtet sich aber schnell in einen nahegelegenen Kirchengarten, in dem er Jolene kennenlernt, die dort eine Papayazucht aufzubauen versucht. Die alte Kirche und der Garten werden Zufluchtsort und Projektstätte für die Kinder. Obwohl die verschlossene Jolene und der zurückhaltende Ware nicht vieles an persönlichen Informationen miteinander teilen, wachsen sie durch die  gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Ziel zusammen und auch jeder für sich. Unterstützung und Wertschätzung erfolgt hier nicht durch Likes, Shares oder andere künstliche Ankerkennung, sondern durch handfestes Zupacken, Akzeptanz und Loyalität. 

Wie Ware sich fühlt, wird am Anfang des Buches schlicht geschildert, wirkt aber auf den Leser trotzdem herzzerreißend. Er fühlt sich schuldig, ungewollt und unnormal. Doch dass großes Leiden zu großem Schaffen führen kann und diese Schwäche in eine kreative Stärke umgewandelt, lernen er und der Leser nach und nach. Auch, dass erste Eindrücke nichts zählen, und Menschen, die man zuerst gar nicht so auf der Liste hat, schließlich die wertvollsten Anstöße liefern. So ist das halt - im echten Leben. Da hat nicht jeder eine gefilterte Backgroundstory und gelöschte Fehlversuche. Da klappt einiges nicht, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht. Da sind die Freunde die man hat, nicht unbedingt die coolsten. Und die Familie schon mal gar nicht. Das Buch zeigt das alles, und schafft es dabei, die innere Entwicklung der Protagonisten, vor allem von Ware, zum Leitmotiv des Buches zu machen. Und diese steht sogar unter einem Motto, denn ein Leitmotiv hat auch Ware selbst: das Rittertum. 

Und obwohl eben dieses heutzutage doch eher ein Thema für Märchen wäre, gelingt es Ware, am Ende ein 'echter' Held zu sein, viel ritterlicher als jede Sagengestalt, und das ohne Schwert und Rüstung! 'Hier im echten Leben' ist quasi ein 'Coming of Age', komprimiert auf wenige Wochen Sommerferien, ohne wirklich dramatische Ereignisse, aber dafür realistisch und 'echt'. 

Und sollten jüngere Leser sich durch dieses Buch endlich besser verstanden fühlen, jemanden finden, mit dem sie sich identifizieren können, oder andere Kinder auf einmal mit anderen Augen sehen oder zumindest offener für einen zweiten Blick werden - denn alles das vermag der kraftvolle Text von Sara Pennypacker in den richtigen Händen - dann sind das noch zusätzliche Pluspunkte, die dem Buch schlußendlich wirklich zum Ritterschlag gereichen.