Rezension

Ehe und ihre Szenen

Thomas & Mary - Tim Parks

Thomas & Mary
von Tim Parks

Bewertet mit 3 Sternen

Tim Parks – der Tausendsassa. Gibt es ein Genre, das er nicht beherrscht? Seitdem er erfolgreich ist und es sich leisten kann, so scheint es, experimentiert er mit Fiktion und Sachthemen aus Kunst, Literatur und Alltag ebenso wie mit autobiographischen Medizingeschichten und Krimis. Er gehört zu den Autoren der Zeitgeschichte, die sich nicht auf einen Stil, ein Thema oder ein Genre festlegen lassen.

Obwohl das Thema dieses Buches, das Zerbrechen von Beziehungen, für ihn kein Neuland ist, probiert Parks mit diesem Buch wieder etwas Neues: Aus vielen Einzelepisoden setzt sich das Bild einer Ehe und der beiden Partner zusammen, die weder miteinander noch ohne einander leben können. Thomas hat eine Affäre nach der anderen. Weil der Autor dicht bei seinem Protagonisten bleibt, ist das Bild von Marys Anteil diffus. Sie hat ihre Macken, dennoch weiß man – ebenso wie die Beteiligten selbst – eigentlich nicht, was die beiden auseinander gebracht hat. Hundert und mehr Kleinigkeiten vermutlich.

In „Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen“ propagiert der Autor, ein Buch abzubrechen, wenn man genug von ihm hat. Was für den Leser und den Schreiber gleichermaßen gilt. Mit diesem Buch demonstriert er: Wo zieht man den Schlussstrich, wenn es um eine unendliche Geschichte geht? Es gibt kein Ende … und ob Parks jetzt ein Kapitel mehr oder eins weniger geschrieben hätte, spielt tatsächlich keine Rolle. Der Mann hat den Beweis für seine gewagte These also geliefert! So bestätigt im Nachwort.

Ein paar Mal taucht Thomas als Ich-Erzähler auf. Dann gibt’s noch ein Ich, Thomas’ guten Freund und Alibigeber bei seinen Affären, der Gespräche mit ihm wieder gibt. Zwischendurch erzählt eine Episode von zwei alten Leuten, Schwester und Bruder; die Frau liegt im Hospiz. Man kann diese Passage erst später einordnen.

Im Nachwort schreibt Parks etwas kryptisch, dass er dieses Buch ständig umgestellt und umgeschrieben hat, und dass die deutsche Übersetzung „weiter geht“ als das englische Original. Man hofft für das englische Lesepublikum, dass im Original das unsäglich überflüssige (um nicht zu sagen: dumme) Kapitel fehlt, in dem Thomas seinem schwulen Freund seine Probleme mit dem weiblichen Orgasmus darlegt.

Die literarische Sprache, die mich in Büchern wie „Schicksal“ oder „Stille“ so beeindruckt hat, lässt Parks außen vor. Vor allem das erste Drittel schreibt er in einem knappen, untypisch lapidaren Stil. Erst in den späteren Kapiteln erkennt man den gewohnten Parks wieder.

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So, und wenn Ihr jetzt den Eindruck habt, dass es in dieser Rezension wie Kraut und Rüben durcheinander geht, dann habe ich es geschafft, das richtige Bild von diesem Buch zu vermitteln.

Ach ja, zur merkwürdigen Chronologie könnte ich auch etwas sagen. Aber Parks sagt selbst, dass es keinen geraden Zeitverlauf gibt. Nicht geben kann. Warum, das könnt Ihr auch im Nachwort lesen.