Rezension

Ein anderer Zustand der Dinge

Der Geruch von Wut -

Der Geruch von Wut
von Gabriele Clima

Bewertet mit 5 Sternen

„Sie sind vielleicht in eine Situation hineingeraten, die sie so nicht beabsichtigt hatten, die ihnen einfach passiert sind, und jetzt wissen sie nicht, wie sie da wieder rauskommen.“

Nach dem Autounfall und anschließendem Koma hat Alex nicht nur sichtbare Narben am Köper, der Schmerz sitzt viel tiefer. Trauer über den unbegreiflichen Verlust seines Vaters und Wut auf den Fahrer des Lastwagens. Die Rache an Moussa Mbaye ist seine Motivation, sich den Black Boys anzuschließen; einer rechtsradikale Gruppierung, die auch vor Gewaltdelikten nicht zurückschreckt. Sie sollen ihm helfen, den Unfallverursacher zu finden, um durch Selbstjustiz Gerechtigkeit walten zu lassen. Dabei ist Alex völlig egal, welche Hautfarbe Moussa Mbaye hat. Seine Rachepläne bringen ihn schließlich selbst in Gefahr. Auf der anderen Seite ist Alex liebende Mutter, die ihn braucht, auch wenn sie sich stark und gefestigt gibt, voller Dankbarkeit darüber, dass wenigstens ihr Sohn den Unfall überlebt hat. 

In siebenundsechzig kurzen Kapitel schreibt der italienische Autor Gabriele Clima manchmal ein bisschen poetisch, aber vor allem leicht verständlich, eindrücklich und, dank viel wörtlicher Rede, lebendig auf Augenhöhe mit seinen Figuren. Dadurch, dass Alex seine Geschichte aus der eigenen Perspektive erzählt, ist man von Anfang an nah dran. Zu Beginn des Buches, muss Alex seine Prüfung bestehen, um in die Gruppe aufgenommen zu werden, dann erfährt man in folgenden Kapitel, wie es dazu kommen konnte und wie es weitergeht. Es war interessant, Alex dabei zu verfolgen, wie er auf eigene Faust nach Moussa Mbaye sucht, das Gefühl der Trauer gar nicht erst aufkommen lässt und durch seinen Freund Teo schließlich auf die Black Boys aufmerksam wird, neue Hoffnung auf den falschen Gründen schöpft und dann seine Aufgabe erfüllt, um in die Gruppe aufgenommen zu werden. „Was die Black Boys taten, war ihre Sache (…), mich interessierte nur eins, (…) wenn mir die Black Boys dabei helfen konnten, gut, was die sonst so machten, war mir egal.“ Es dürfte Jugendlichen leicht fallen, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren. Alex verhält sich authentisch und durch ihn lässt sich nachvollziehen, wie Menschen empfänglich für Gruppierungen werden, dessen Gesinnung sie eigentlich nicht vertreten. Dadurch leistet das Buch einen wichtigen Beitrag und überzeugt mit spannenden Momenten und einer berührenden Form der Trauerbewältigung, bei der Alex Gespräche mit seinem verstorbenen Vater führt, als wäre er noch da. Das Ende ist wunderbar - nicht zu rührselig, überraschend und friedlich. 

Eine lesenswerte Geschichte, mit vielen Denkanstößen zum Thema Trauerbewältigung, Rechtsextremismus und Selbstverantwortung, die zeigt wie mächtig starke Gefühle wie Wut sein können, und wie man dadurch in ernste Schwierigkeiten kommen kann. "Der Geruch von Wut" zeigt aber auch wie stark das Gefühl der Hoffnung und Liebe ist, das sich immer wieder in Erinnerungen an den Vater und dem Rückhalt der Mutter zeigt. Sehr lesenswert!