Rezension

Ein atmosphärischer Schmöker

Das geheime Lächeln - Bettina Storks

Das geheime Lächeln
von Bettina Storks

Bewertet mit 4 Sternen

Große Familiengeheimnisse, verworrene Geschichten und eine gute Portion Tragik - das ist der Stoff, aus dem viele meiner Lieblingsgeschichten gemacht sind. Bettina Storks' neuer Roman Das geheime Lächeln klang deshalb nach dem idealen Buch für mich. Und tatsächlich beginnt die Geschichte wirklich vielversprechend, nämlich mit der Journalistin Emilia, die durch Zufall auf ein Bildnis ihrer Großmutter stößt und sich daran macht, deren Geschichte zu enträtseln. Die Spurensuche führt Emilia zunächst in die Provence, zu einem kleinen Haus in einem idyllisch gelegenen Örtchen. Dieses Setting ist wundervoll und sehr detailgenau ausgestaltet und nimmt einen schnell mit seiner einzigartigen Atmosphäre gefangen.

Das Gleiche gilt für das Paris der 1930er Jahre, das Bettina Storks in eingeschobenen Episoden, in denen es um Sophies erste Zeit in Frankreich geht, auferstehen lässt. Es gibt im Verlauf der Geschichte noch einige weitere Orte, die man durch die Augen der Figuren entdeckt, und ich fand sie allesamt fantastisch. Das Setting harmoniert einfach wundervoll mit der melancholischen, sehr poetischen und dramatischen Geschichte, sodass man sich schnell in einen Rausch liest und den Schmöker gar nicht mehr zur Seite legen will.

Bettina Storks gelingt es darüber hinaus außerordentlich gut, Emilias Spurensuche packend und authentisch abzubilden. Es geht nicht einfach nur um die Geheimnisse, die ans Tageslicht kommen, sondern auch um die Menschen, die eng mit Sophies Lebensgeschichte verwoben sind. So etwa um den resoluten und sehr sprachgewandten Jean-Pierre, der letzte Zeitzeuge Sophies. Es gibt so manches Wortgefecht zwischen ihm und Emilia, wobei Emilias Drang, die Wahrheit aufzudecken, ein ums andere Mal mit Jean-Pierres Schweigen und seinen Gefühlen kollidiert. Emilia war mir deshalb nicht durchgehend sympathisch, denn besonders viel Feingefühl legt sie im Umgang mit Jean-Pierre nicht an den Tag. Die Spurensuche ist jedoch auch für sie ein Lernprozess, was ich wiederum sehr schön und spannend finde.

Anfangs musste ich mich erst einmal an den Erzählstil gewöhnen, insbesondere daran, dass Storks für die Kapitel um Emilia und um Sophie zwei verschiedene Zeitformen verwendet. Das las sich für mich anfangs ein wenig stockend und holprig, passt im Nachhinein aber zu den Erlebnissen der beiden Frauen. Etwas schade fand ich, dass es so wenige Episoden aus Sophies Leben gibt und dass man ihre Geschichte wie Emilia selbst eher passiv erlebt. Ich kenne es aus anderen Romanen dieses Genres, dass zu etwa gleichen Teilen auf zwei oder mehr Zeitebenen erzählt wird und das gefällt mir prinzipiell etwas besser. Auch wenn man durch Storks' Erzählweise natürlich näher an Emilia und Jean-Pierre dran ist.

Storks schneidet in ihrem Roman viele Themen an - so zum Beispiel das Leben im von Künstlern geprägten Paris der 1930er Jahre, die Verfolgung der Juden im von den deutschen besetzten Frankreich, seelische Wunden als Folge einer abwesenden und von der Familie totgeschwiegenen Mutter... Allerdings wird das meiste wirklich nur angeteasert und auch wenn man Sophies Geschichte am Ende in ihren Grundzügen versteht und die ganze Tragik um ihre Tochter Pauline erfasst - irgendwie hatte ich trotzdem das Gefühl, dass Sophie mir immer noch fremd ist. Dass nicht alles gänzlich aufgeklärt wurde. Bei all der Tragik und angesichts des Mantels aus Schweigen, den Paulines Zieheltern über ihre Mutter Sophie decken, hatte ich mir einfach vorgestellt, dass mehr dahintersteckt. So ganz zufrieden gestellt haben mich die Auflösung und das Ende einfach nicht. Ich kann nicht genau in Worte fassen, was mich stört, aber das Gefühl der Zufriedenheit und der Versöhnung wollte sich bei mir einfach nicht so ganz einstellen.

Mein Fazit:
Das geheime Lächeln von Bettina Storks ist ein sehr poetisch geschriebener, träumerischer Schmöker mit einem wundervollen Setting und verborgenen Geheimnissen, die ganz allmählich an die Oberfläche drängen. Das Buch lässt sich wunderbar in einem Rutsch durchlesen und weiß wirklich zu verzaubern und mitzureißen. Für meinen Geschmack hätte die Geschichte jedoch noch einen Ticken tiefer in die Materie reingehen können und auch das Ende hat mich insgesamt irgendwie nicht zufriedengestellt. Trotzdem - die verworrene Familiengeschichte voller Melancholie und Urlaubsfeeling ist genau das Richtige für intensive Lesestunden.