Rezension

Ein berührender, sprachlich glanzvoller Jugenroman !

Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon - Joyce Carol Oates

Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon
von Joyce Carol Oates

Bewertet mit 4 Sternen

 Als Jennas Mutter bei einem Autounfall stirbt, wird sie selbst schwer verletzt und findet nur langsam ins Leben zurück. Der Unfall hat Jenna nicht nur körperliche Spuren und den Verlust der Mutter hinterlassen, sondern er hat sie auch psychisch verändert und macht aus einem früher einmal lebensfrohen Mädchen, einen Teenager der in unerreichbare Tiefen rutscht. Sie versinkt in bodenlosem Selbsthass, verliert sich in Schuldgefühlen und kapselt sich immer weiter ab. Sie entzieht sich ihrer Familie, umgibt sich mit den falschen Freunden, betäubt sich mit Medikamenten und Drogen, bis die Situation schließlich eskaliert und sie endlich aufwacht...

Meinung:

Bis vor kurzem war mir die Autorin Joyce Carol Oates leider so gar kein Begriff und das obwohl ich doch reichlich Jugendliteratur verschlinge. Umso mehr freue ich mich jetzt, das ich durch den ungewöhnlichen, langen Buchtitel und den ansprechenden Klappentext auf diesen Roman und vorallem auf die Autorin aufmerksam wurde.

Joyce Carol Oates hat einen sehr ausgefallenen, eindringlichen und hervorstechenden Schreibstil durch den sie mir Jennas Gedankenwelt näherbringt. Sie wählt die Ich-Form und ich muss gestehen das ich eine Weile brauchte, bis ich mit ihrem Stil warm wurde. Zwischen den eigentlich durchweg ruhigen Zeilen steckt unendlich viel Tiefgang und es schwingen so viele Emotionen mit, das ich beim Lesen ganz aufgewühlt und gerührt war.

Allgegenwärtig nagen Schuldgefühle an Jenna. Sie kann sich kaum an den Unfall erinnern und doch blitzen immer wieder Bilder auf, die sie aus der Bahn werfen. Hat sie ihrer Mutter ins Lenkrad gegriffen ? War da ein Tier auf der Fahrbahn ? Was tatsächlich geschah ist nicht greifbar, doch durch ihren Verdacht, die alleinige Schuld am Unfall zu tragen, rutscht Jenna immer tiefer und tiefer in einen Sumpf aus Selbsthass und Drogen. Sie haut sich Medikamente in den Kopf um den nagenden Schmerz, den Verlust und all die offenen Fragen zu betäuben. Zu all diesen Problemen mit sich selbst, kommt der Hass auf ihren Vater, der sie verlassen und eine neue Familie gegründet hat, der kaum noch Zeit für sie hat und sie nach dem Unfall bevormunden will. Jenna weigert sich vehement zu ihm zu ziehen und wird stattdessen von ihrer Tante aufgenommen.
Doch dort angekommen kapselt sie sich immer weiter ab, lässt niemanden an sich heran und verweigert jede Form der Hilfe.
Das ändert sich auch nicht, als sie dem geheimnisvollen Crow und seiner Clique begegnet. Im Gegenteil: es wird noch schlimmer. Denn Crow selbst bietet ihr anfangs zwar seine Hilfe an, macht sich dann jedoch ziemlich rar. In der Hoffnung ihn wiederzusehen, gibt sich Jenna mit seinen Freunden ab. Allesamt junge Erwachsene, deren Leben von Drogen, Alkohol, Gewalt und Sex bestimmt wird. Jenna fällt, noch tiefer, bis die Situation irgendwann komplett aus dem Ruder läuft und sie endlich aufwacht.

Was mich ein bisschen, vielleicht nicht gerade gestört, aber irritiert hat, war, das ich davon ausgegangen bin, das Crow hier zum heimlichen Helden wird und sich zwischen Jenna und ihm eine klassische Liebesgeschichte entspinnt, in der sich beide gegenseitig retten, denn auch Crow hat kein leichtes Leben.
Crow wird ohne sein Wissen zu einem Anker für Jenna, dabei erscheint er eigentlich nie selbst auf der Bildfläche, was es für mich schwer macht, ihn mir vorzustellen. Erst gegen Ende des Buches taucht er plötzlich öfter auf und beginnt Jenna zu helfen, bleibt für mich aber leider ein gesichtsloser Charakter. Das fand ich sehr schade, denn irgendwie hatte ich mir davon ein bisschen mehr versprochen.

Das Ende kommt also anders als erwartet, stellt mich aber zufrieden.

Fazit:

"Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon" ist ein tiefgründiger, sprachlich glanzvoller Jugendroman über Schuld, Selbsthass und den Weg aus der Dunkelheit. Ein emotionales Werk das ich nicht nur jungen Lesern unbedingt ans Herz legen möchte.