Rezension

Ein besonderer Blick auf die Geschichte des Widerstands

Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter - Sophie von Bechtolsheim

Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter
von Sophie von Bechtolsheim

20. Juli 1944 - Tag des Attentats auf Adolf Hitler in Rastenburg. Der Anschlag verfehlt sein Ziel, Hitler überlebt und der Zweite Weltkrieg wird fortgeführt. In den letzten gut 9 Monaten verlieren mehr Menschen das Leben, als in all den Jahren zuvor.
Auch wenn die Tat durch ein existierendes Netzwerk von langer Hand geplant wurde, fällt immer wieder ein Name zuerst: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Er wird gleichsam als Kopf der Verschwörer betrachtet, als derjenige, der Hand anlegte und die Bombe, versteckt in einer Aktentasche, in der Nähe des "Führers" platzierte.
Der 20. Juli (1944) wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Gedenktag, symbolisch für alle Widerstandsbewegungen gegen das NS-Regime unter seinem Führer Adolf Hitler. 75 Jahre ist das nun her und die Geschichtsforschung ruht nicht. Kontroverse Sichtweisen und Meinungen treffen aufeinander und werden aufgearbeitet.

Das vorliegende Buch wurde geschrieben durch die Enkelin Stauffenbergs, Sophie von Bechtolsheim. Geboren im Jahre 1968, lernte sie ihren Großvater nicht kennen, dafür dessen Frau Nina. Die Autorin schildert, dass sie sich ihrem Großvater, oder besser gesagt seinem Handeln, erst spät näherte. Die Gedanken der Autorin werden getragen durch die Schilderungen der Großmutter und den aktuellen geschichtswissenschaftlichen Forschungen. Ein langer, intensiver und sehr persönlicher Weg.
Den Anschlag stellt sie in einer gesamtheitlichen Sichtweise dar. Weder die rein wissenschaftliche Perspektive, noch ihre familiäre Bindung und Sichtweise geben den alleinigen Ausschlag für die hochinteressante Annäherung an ihren Großvater. Sie versucht die Lebenssituation der Menschen, die Charaktere der handelnden Personen und die Ergebnisse historischer Forschung gleichermaßen zu betrachten.
So entsteht eine fundierte Sicht auf den Tag und die Person des Grafen Stauffenberg. Zugleich geschieht eine Einordnung des 20. Juli über den Widerstand in der Epoche des Nationalsozialismus hinaus - gegen die Zukunftslosigkeit.

Mein Fazit:
Sophie von Bechtolsheim gelingt es, zu einem der gravierendsten Ereignisse in der Historie der NS-Zeit eine fesselnde, gut lesbare und anspruchsvolle Darstellung ihrer Sicht auf die Geschehnisse zu verfassen. Sie erhebt keineswegs den Anspruch, dass ihre Sichtweise aufgrund der familiären Verbindungen eine Art Alleinstellungsmerkmal bedeuten.
Sie verdeutlicht jedoch, dass die Reduktion der Person ihres Großvaters auf die Person des Attentäters der Situation der Menschen im militärischen Widerstand in der Sichtweise zu stark verengt, die die psychischen und moralischen Belastungen zu stark in den Hintergrund drängen.
Die Person Claus Schenk Graf von Stauffenbergs wird in ein historisch bedeutsames und nachwirkendes Geschehnis eingeordnet und interpretiert. Das gelingt der Autorin aus meiner Sicht auf beeindruckende Art und Weise!