Rezension

Ein bisschen zu fern

In der Ferne -

In der Ferne
von Hernan Diaz

Bewertet mit 3 Sternen

Håkans Familie lebt in Schweden in relativer Armut. Um seinen beiden Söhnen ein besseres Leben zu ermöglichen, schickt der Vater die Jungen nach Amerika. Doch schon im Getümmel des Hafens verliert Håkan seinen älteren Bruder und steigt in Panik auf ein Schiff, dass ihn nicht nach New York sondern an die Küste San Fransiscos bringt. Håkan ist fest entschlossen, das Land gen Osten zu durchqueren und seinen Bruder wiederzufinden. Doch macht ihm das Leben immer wieder einen Strich durch die Rechnung.

Der Anfang des Romans gefiel mir ausgesprochen gut! Diaz hat einen angenehmen Schreibstil, in dem sich sogar ein paar sprachliche Perlen verstecken. Und auch Håkans wechselnde Weggefährten und Erlebnisse haben mir gefallen - ganz besonders der reisende Gelehrte Lorimer, der sich in wunderbaren philosophischen Monologen wie diesem ergeht:

》Was sind Denkmäler, Relikte, Mausoleum schon anderes als eitle Versuche, vor Verwesung und Vergessen zu bewahren. Doch welche Ehre könnte größer sein, als seinen Mitgeschöpfen zum Festmahl zu gereichen? Welches Monument könnte edler sein als das atmende Gtab eines Kojoten oder die geflügelten Urne eines Geiers? Und welche Bewahrung zuverlässiger? Welche Wiederauferstehung wahrer? Das ist echte Religion - das Bewusstsein der Bande zwischen allen Lebewesen. Hat man dies verinnerlicht, gibt es nichts zu betrauern, denn auch wenn nichts für immer bleibt, ist doch zugleich nichts je verloren. Kannst du dir das vorstellen?" fragte Lorimer wieder. "Diese Erleichterung. Diese Freiheit."《 Seite  107/108

Doch ab einem gewissen Punkt hat mich die Geschichte leider verloren. Håkan gerät von einem Unglück ins nächste. Von einer Wüste in die nächste. Von einem Sommer in den nächsten. Es wird sich nur noch versteckt, Essen und Wasser gesucht, geritten, geritten, geritten und sich in eine enorme Gleichgültigkeit hineingesteigert. Das war mir irgendwann zu mau und hat sich leider auch zum Ende hin nicht mehr gebessert.

"In der Ferne" war für mich ein in Teilen sehr schönes, in Teilen sehr ermüdendes Leseerlebnis über ein einsames, oft trauriges, manchmal lehrreiches Leben. Trotz der gewaltigen Natur und einigen interessanten Gedanken zum Leben blieb es mir insgesamt - wie der Titel so schön sagt - fern.