Rezension

Ein Blick auf die USA zur Zeit der Präsidentschaftswahl 2016

Willkommen in Lake Success
von Gary Shteyngart

Bewertet mit 5 Sternen

Dies wird keine einfache Rezension, ich bin mir nicht sicher, ob ich diesem recht weitgreifendem Roman gerecht werden kann. Ich versuche es mal.

Ich hatte beim Lesen und besonders danach das Gefühl, dass in diesem Roman eigentlich mehrere Geschichten gleichzeitig erzählt werden. Die nachfolgenden Abschnitte sollen die verschiedenen Geschichten zeigen, dadurch wird vielleicht auch der Erfolg des Buches in Amerika verdeutlicht.

Einerseits geht es um die USA, und die Gemengelage der politischen Empfindungen in diesem Land kurz vor den Präsidentschaftswahlen 2016. Es wird verdeutlicht, dass die Bevölkerung der USA extrem gespalten ist. Schon durch die Größe des Landes ist diese Spaltung durch die verschiedenen Wohngegenden und ihre wirtschaftliche Situation bedingt (Ostküste, Südstaaten, mittlerer Westen, Südwesten, Westküste), dazu kommt dann noch die soziale Spaltung der Bevölkerung und die Spaltung nach Hautfarben/Nationen. Diese Spaltung wird von bestimmten Kreisen natürlich forciert, um die Unzufriedenheit zu befeuern und eigene Fankreise zu erschaffen.

Dann haben wir das zentral gestellte Paar Seema und Barry Cohen in New York. sie ist eine in Amerika geborene Tamilin, er ist ein Sohn eines jüdischen Poolreinigers, sie ist Anwältin, er ist millionenschwerer Hedgefondmanager, sie ist Mitte 20 und er ist Mitte 40. Die Ehe der beiden wird nicht etwa wegen der Gefühle geschlossen, die Mutter von Seema stößt ihr Kind eher in die Richtung: Suche dir einen reichen Mann und alles wird gut!. Beide haben ein Kind zusammen, den dreijährigen Shiva, ein schwer autistisches Kind. Natürlich ist die eheliche Situation, die vorher schon nicht gut war, durch die Probleme wegen dem Jungen noch angespannter. Bei der Beschreibung der Lebensumstände der Cohens und ihrer Umgebung wird deutlich wie sehr der Autor sich über die Superreichen Amerikas lustig macht. Köstlich! Schließlich kommt es zum Eklat zwischen Seema und Barry und die Folge ist Barrys Flucht aus New York mit dem Greyhound quer durch die USA. Mit auf die Reise darf nur ein Teil der heißgeliebten superteuren Uhren von Barry, diese liebt Barry innig. Der Entschluss zur Flucht entsteht nicht nur durch den Streit mit Seema, sondern auch durch gewisse berufliche Schwierigkeiten mit ungewissen juristischen Folgen. Auf der Reise durch die USA lernt Barry ein Sammelsurium an verschiedenen skurrilen Personen kennen, die den schon beschriebenen Blick auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ermöglichen. Dass ernannte und heiß ersehnte Ziel der Reise von Barry ist seine Jugendliebe Layla in El Paso, Texas. Auf dieser Reise wird nach und nach klar, dass der anfänglich unsympathische Charakter Barry, deutliche Defizite in der empathischen Wahrnehmung seiner Mitmenschen hat und auch im Miteinander mit Ihnen und durch dieses Zeichnen dem Leser etwas sympathischer.

Shteyngart schreibt seinen Roman/seinen Blick auf Amerika mit einem gewissen Humor/einem gewissen Sarkasmus/Zynismus. Vieles wird deutlich überzeichnet, vieles polarisierend dargestellt und auch vieles polemisierend. Dadurch stößt dieser Roman auch ab, mir hat dieses Bild von Amerika und seiner Einwohner aber sehr gefallen, dieses Buch ist ein sehr gesellschaftskritischer, aber in meinen Augen ein sehr realer Blick. Und entgegen sehr vieler anderer Rezensenten sehe ich definitiv in diesem Roman einen Entwicklungsroman, die Charaktere Seema und Barry durchlaufen sehr wohl eine Entwicklung.

Interessant finde ich auch welche Bedeutung hier dem Thema Autismus und den betroffenen Menschen gegeben wird, dabei wird auch gezeigt wie unterschiedlich autistische Formen sein können.