Rezension

Ein Buch, das man sich zu Herzen nehmen sollte

Weil ein Aufschrei nicht reicht - Anne Wizorek

Weil ein Aufschrei nicht reicht
von Anne Wizorek

Bewertet mit 4 Sternen

Der Titel sagt schon aus, worüber es in diesem Buch geht – dem Feminismus. Ein Thema, auf das mehr Menschen aufmerksam gemacht werden sollten.
Am 24. Januar veröffentlicht eine Freundin der Autorin Anne Wizorek auf ihrem gemeinsamen Blog einen Text über sexuelle Belästigungen. Die Diskussion darüber ist groß und eine andere Bekannte fängt an auf Twitter ihre eigenen Erfahrungen mit dem Alltagssexismus zu posten. Daraufhin schlägt die Autorin das Hashtag #aufschrei vor um all die Tweets zu sammeln. Unter diesem Hashtag können die Frauen von da an über sexuelle Übergriffe oder sexistische Bemerkungen ihnen gegenüber sprechen und bekommen das Gefühl nicht alleine dazustehen.
Nach der #aufschrei Aktion, die ein großes Thema letztes Jahr war, hat die Autorin Anfang Oktober das Buch ‚Weil ein Aufschrei nicht reicht: Für einen Feminismus von heute’ herausgebracht indem sie näher auf besonders wichtige Themen eingeht und auch sagt, dass immer noch nicht alles getan ist und man weiterhin für den Feminismus kämpfen sollte.

Meine Meinung:

Auch wenn ich nicht bei Twitter registriert bin weiß nicht, wie es sein kann, dass ich letztes Jahr nichts von der #aufschrei Aktion mitbekommen habe, obwohl die Autorin schon nach dem ersten Tag Einladungen zu Fernseh- und Radiointerviews bekommen hat. Und da ich mich leider auch sonst nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt habe, war es Zeit darüber zu lesen und mich endlich mal zu informieren.
Zuerst ist mir natürlich der lockere, jugendliche Schreibstil aufgefallen, der in einigen Zeilen auch ziemlich hart wirken kann, denn die Autorin verschönert hier nichts und schreibt was sie denkt. Ihre sarkastischen Anmerkungen runden das Ganze ab. Denke also, dass obwohl es ein Sachbuch ist, das lesen der jüngeren Generation einfacher fällt. Die Autorin erklärt auf einer Art und Weise die sympathisch ist alles sehr verständlich und untermauert manches mit einigen Tweets.

Mich hat dieses Buch sehr zum nachdenken angeregt und mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Denn erst jetzt wurde es mir so richtig bewusst wie viele Probleme es noch gibt und wie vieles man im Alltag als normal ansieht und gekonnt ignoriert. Also genau das macht, was man nicht sollte.
Die Autorin behandelt im ersten Teil des Buches Themen wie Sexismus, Objektifizierung, Geschlechterquote, Schönheitsideal, sexualisierte Gewalt oder auch Akzeptanz für LGBTQI. Die Texte werden mit Fakten und Quellen, die am Ende des Buches aufgelistet sind, unterlegen.
Man erfährt, dass Sexismus schon von klein auf anfängt, denn wieso dürfen Mädchen nur pink tragen und die Jungen nur blau? Wieso können Jungs nicht mit Puppen spielen? Wie kann es sein, dass unsere Gesellschaft darauf mit Sätzen wie ‚Er wird ja noch schwul’ reagiert? Dabei sind es doch nur Kinder.

Bis jetzt habe ich zum Beispiel auch nicht gewusst, dass neben Italien und Polen Deutschland das einzige EU-Land ist in dem die ‚Pille danach’ verschreibungspflichtig ist. Oder dass in keinem anderen Wirtschaftsland so wenige Frauen in Führungspositionen arbeiten. Finde ich erschreckend und bin der Meinung, dass es sich eindeutig ändern sollte.

Es gab einige Momente in denen ich während des Lesens wütend auf unser System war und es gab vieles, das mich berührt und traurig zugleich gemacht hat. Man wird sich der Problemen bewusst und ich habe angefangen mich zu fragen wie lang es wohl noch dauert bis sich etwas ändert. Das Kapitel über sexualisierte Gewalt hat mich sehr bewegt. Auch hier wird sehr deutlich, wie weit entfernt wir von einem Fortschritt sind. Denn wie kann es sein, dass man immer noch den Opfern von sexueller Gewalt die Schuld gibt, weil sie anscheinend zu freizügig angezogen waren oder sich nicht genug gewehrt haben? Wieso ist ein ‚Nein’ nicht genug?
Und wie kann es überhaupt sein, dass Sexismus, Rassismus und Diskriminierung immer noch toleriert werden?
Die Autorin schafft es mit diesen Themen einen zu fesseln und einem rüber zu bringen, dass es immer noch nötig ist für das woran man glaubt zu kämpfen. Nicht nur nötig sondern wichtig, immerhin möchten wir eine Veränderung, einen Fortschritt und nicht einige Jahrzehnte zurück geworfen zu werden.

Während also im ersten Teil des Buches die Probleme besprochen werden, geht es im zweiten Teil eher darum wie Anne Wizorek zu #aufschrei gekommen ist, wie sie selbst Feministin wurde, wen sie als Vorbild hatte und es werden auch hilfreiche Seiten, Blogs und Hashtags angegeben unter denen man sich noch mehr Informationen holen oder auch die Menschen unterstützen kann. Außerdem gibt es gegen Ende noch eine Timeline zu dem Feminismus, bei der deutlich wird, dass wir manche Rechte erst vor kurzer Zeit erhalten haben.
Der erste Teil hat mir absolut gefallen, der zweite ging eigentlich. Es war zwar interessant einiges zu erfahren doch lag für mich die Priorität in diesem Buch eher bei den Problemen der Gesellschaft und darin was sich ändern sollte.
Bis zu dem für Männer bestimmtem Kapitel war auch alles soweit in Ordnung, nur kamen genau dann solche Sachen wie „Was es heißt ein guter Verbündeter zu sein“ oder „Setz dich mit deiner Schuld auseinander.“ Generell ging es in diesem Buch weniger um die Männer als Opfer, was schade ist, denn auch diese haben zu kämpfen. Spüren genau wie Frauen den Druck immer perfekt aussehen zu müssen leiden unter Essstörungen und werden auch in vielen Situationen benachteiligt. Von daher wäre es schön gewesen wenn auch darauf eingegangen wäre und man sie am Ende nicht nur als Verbündete abgestempelt hätte. Wenn man schon für Gleichberechtigung steht sollte man es auch genau so rüber bringen.
 

Fazit:

Mir als Neuling hat es auf jeden Fall etwas gebracht. Ich kann es weiter empfehlen, denn es bringt einen zum nachdenken und macht einen auf vieles aufmerksam, dessen man sich vorher vielleicht nicht bewusst war.