Rezension

Ein Buch für angehende Wikinger

Wikinger -

Wikinger
von John Haywood

Bewertet mit 3 Sternen

Wohl jeder der jüngeren Generationen hat sich heutzutage irgendwo (seien wir ehrlich, zumeist online) Berufsberatung oder Karrierebibeln angesehen. Überaus passend also, dass nun endlich auch ein Karriereführer zur berühmtberüchtigen Wikingertätigkeit erscheint. Von A bis Z wird hier nicht nur das blutige Handwerk, sondern auch der dahinterstehende Alltag, von Wiege bis zur Bahre (und darüber hinaus) thematisiert. Detaillierte Übersichten von u.a. lohnender Dienstreiseziele bieten konkrete Hilfestellung für ehrgeizigen Wikingernachwuchs.

Haptisch und optisch macht dieses humorvoll als Karriereführer gestaltetes Sachbuch einen guten Eindruck. Die Kapitel sind mit Sinn und Verstand gegliedert und verweisen locker aufeinander. Zugegeben, mir persönlich erschien die Kombination aus salopp-sarkastischen Kommentaren und gleichzeitigem Siezen des Lesers etwas sperrig, doch man gewöhnt sich daran. Ein besonderes Highlight bilden oftmals die Beschreibungen von eingefügten Bildern (z.B. von historischen Stätten oder dem, was wir heute Artefakte nennen) und vielfältige Zitate aus Chroniken und anderen zeitgenössischen Texten.

Leider gibt es einige technische Mängel: Neben Trennungs- und Rechtschreibefehlern und Dopplungen sind die fehlenden Bilder am Schwersten zu verkraften. Die zugehörigen Beschreibungen sind vorhanden, wecken Interesse – und dann fehlt die Abbildung. Vermutlich ist dies auf die Änderung des Formates von der ursprünglichen gebundenen Fassung hin zur Taschenbuchausgabe zurückzuführen, aber letztendlich spielt der Grund keine Rolle. Was bleibt, ist ein unschöner, unfertiger Eindruck.

Dem gegenüber fällt meine inhaltliche Kritik geringer aus. Zum einen wird relativ am Anfang erwähnt, dass man zum Thema Berufe für Frauen ein späteres Kapitel zu Rate ziehen solle – doch dort wird dies kaum angesprochen und wenn, dann indirekt aus der Perspektive der Männerwelt. Da hätte man sich den fadenscheinigen Verweis auch sparen können.  Zum anderen missfällt mir bei der Methodik des Erzählers, wie stark er bei dem Wert, den er erzählenden historischen Texten, insbesondere Sagas, für die Realität der Wikinger zuschreibt, schwankt. Mal entsprechen sie klar nicht der Wirklichkeit, dann doch wieder, oder sind sie vielleicht doch eher nur unerreichbare Inspirationsquellen? Entweder wird ein angehender Wikinger hier haltlos verwirrt, oder aber die Illusion des Karriereführers wird durchbrochen. In letztem Fall wären wir bei Ansätzen geschichtswissenschaftlicher Quellenkritik, dann aber ist es wohl legitim zu bemängeln, dass das Buch inhaltlich nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung ist bzw. an vielen Stellen veraltete Konzepte rezipiert.

Alles in allem ein spannend aufgemachtes Sachbuch, das für Laien geeignet ist, aber durch Abbildungen und zitierter Textpassagen auch über interessante Impulse für Kenner verfügt. Es sollte allerdings noch einmal überarbeitet werden.