Rezension

Ein düsteres Jugendbuch über Schuld und Geheimnisse

Du bist das Gegenteil von allem - Carmen Rodrigues

Du bist das Gegenteil von allem
von Carmen Rodrigues

Diese Rezension erschien ursprünglich auf kopf.kino!

 

// Was passiert //

Die 16-jährige Ellie hatte etwas Besonderes an sich. Etwas Dunkles, Charismatisches, Gebrochenes… Jetzt ist sie tot. Gestorben an einer Überdosis Tabletten. Zurück bleiben ihr Bruder Jake, ihre beste Freundin Sarah und deren jüngere Schwester Jess – und vierunddreißig Zettel von Ellie in einem Schuhkarton. Vierunddreißig Hinweise, die Ellie hinterlassen hat. Vierunddreißig Geheimnisse eines viel zu kurzen Lebens voller Schmerz. Auf der Suche nach dem Warum müssen sich Jake, Sarah und Jess nicht nur ihren eigenen Abgründen stellen, sondern auch dem, was Ellie so lange vor ihnen verborgen hat…

© cbt Verlag & Carmen Rodrigues

 

// Was ich denke //

Du bist das Gegenteil von allem wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt: Jake, Sarah und Jess. Abwechselnd setzen sie sich mit Ellies Tod auseinander, suchen nach dem “Warum” und stellen sich vor allem die Frage der Schuld. Alle drei sind gelähmt von ihrem Verlust, gehen damit aber sehr unterschiedlich um. Anhand von Rückblenden erfährt man nach und nach wie genau die Beziehungen zwischen ihnen und Ellie aussahen, wobei gerade bei Jess zu Anfang überhaupt nicht klar wird, was genau sie mit Ellie verbunden hat.
Ich muss ja zugeben, dass mir Ellie zu Beginn überhaupt nicht sympathisch war. Sie war fordernd, manipulativ und teilweise einfach scheiße zu ihren Freunden. Ich hätte ihr nicht selten gerne einfach mal eine geschallert. Ich fand ihren Umgang mit Sarah und auch Jess einfach dermaßen daneben, dass ich mich wirklich gefragt habe, warum die beiden sich das haben bieten lassen. Im Laufe der Geschichte erfährt man jedoch immer mehr über Ellies nicht gerade positiven Vergangenheit und ja, ich konnte dann auch ein klein wenig Verständnis aufbringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie einfach nur auf der Suche nach Liebe und Halt war, aber ihre Methode war einfach nicht akzeptabel für mich.

Auf der Gegenseite konnte ich aber auch verstehen, warum Sarah diese Behandlung so leicht in Kauf genommen hat. Ellie war cool, anders, anziehend… Sarah hat in ihr einfach als das gesehen, was sie gerne wäre und so ist es nachvollziehbar, dass sie die Nähe des Mädchens gesucht hat und sich zu so einigen Dummheiten hat überreden lassen. Ob man das jetzt gut heißt oder nicht… ich finde, dass Carmen Rodrigues diese wirre Gefühlswelt gut dargestellt hat.
Genauso wie die Beziehung zwischen Ellie und Jess. Zu Beginn scheint es, dass die kleine Schwester ihrer besten Freundin vor allem eines für Ellie ist: nervig. Sie will sie nicht dabei haben, macht böse Bemerkungen und ist einfach fies zu ihr. Doch dann gibt es Momente, da ist sie das komplette Gegenteil. Für Jess ist das genauso verwirrend wie für den Leser und erst später wird klar, was wirklich zwischen den beiden läuft. Und wieder ist unter dem Aspekt das Verhalten von Ellie irgendwie nachvollziehbar.

Etwas, worauf ich noch eingehen möchte, sind die im Klappentext erwähnten vierunddreißig Zettel, die dem Buch im Original auch seinen Titel gegeben haben (34 pieces of you). Diese leiten nämlich immer ein neues Kapitel ein. Darin geht es um Ellies Leben, sie erinnern an Ausschnitte aus einem Tagebuch. Sie richten sich an verschiedene Menschen, berichten von verschiedenen Gefühlen und Gedanken. In der Inhaltsangabe klingt es ja so, als würden Jake, Sarah und Jess den Schuhkarton mit den Schnipseln finden… da wird der Leser aber ein wenig auf dem Holzweg geschickt. Denn genau genommen ist es Jess, die den Karton findet und eine ganze Weile für sich behält. Erst viel später erzählt sie ihrer Schwester davon.

Durch die Thematik ist die Stimmung des Buches natürlich sehr traurig und ruhig. Ich muss sagen, dass mir das unheimlich gefallen hat, denn es passte einfach zu der Situation, in der sich die drei Freunde befinden. Zwischendurch hellt der Himmel immer ein wenig auf, wenn sie sich an Ellie erinnern, aber das hält meist nicht lange an, denn das Mädchen war zu Lebzeiten nicht unbedingt Little Miss Sunshine. Sie hat sich zwar gerne so dargestellt, aber in ihr wohnte eine gewissen Dunkelheit… so ist eine der Grundfragen der Geschichte auch, ob die Überdosis ein Unfall oder Selbstmord war.

Im Gesamten empfand ich Du bist das Gegenteil von allem als intensiv und fesselnd. Ich wollte unbedingt wissen, was mit Ellie passiert ist und wie es zu ihrem Tod kommen konnte. Durch den leichten Schreibstil ließ sich das Buch sehr gut lesen, so dass ich es – für meine Verhältnisse – recht schnell durch hatte. Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass die Schrift etwas größer als gewöhnlich ist.