Rezension

Ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte

ZwischenWelten - Die Weisse Krähe -

ZwischenWelten - Die Weisse Krähe
von Stefan Schwarz

Bewertet mit 5 Sternen

„...In Anna stieg ein Gefühl auf, dass sie noch nie vorher in ihrem Leben verspürt hatte. Es verunsicherte sie, mit welcher Macht es von ihr Besitz ergriff. Es war Hass. Blanker Hass...“

 

Wir schreiben das Jahr 1860, als die 15jährige Anna mit ihrem Vater nach New Ulm in Minnesota kommt. Dort muss sie miterleben, wie er unschuldig als Pferdedieb gehängt wird. Damit hat sie ihren letzten Verwandten verloren. Sie schwört bittere Rache.

In Boston soll Will Kronberg als ältester Sohn bald den Druckereibetrieb seines Vaters übernehmen. Nach langen Zögern erklärt er sich bereit. Aber an dem Tag, an dem er seiner Jugendfreundin einen Heiratsantrag machen will, erwischt er sie bei ihrer Untreue. Will verlässt die Stadt, meldet sich beim Militär und wird Boston nie wiedersehen.

Der Autor hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Der Titel ZwischenWelten ist Programm im Hinblick auf die beiden wichtigsten Protagonisten. Anna wird ihr Leben lang zwischen den Volk der Dakota und den Weißen stehen, Will muss seinen Weg als Redakteur zwischen Lüge und Wahrheit finden.

Der Schriftstil ist sehr abwechslungsreich. Der Autor erweist sich als gekonnter Erzähler. Er schlägt einen Bogen zwischen den großen Ereignissen der Zeit. Während die Soldaten des Nordens im Süden gegen die Sklaverei kämpfen, sorgen sie gleichzeitig für eine umfassenden Völkermord an den First Nations.

Anna gelingt die Flucht aus den Händen ihrer Peiniger, die schon für den Tod des Vaters verantwortlich waren. Allein in der Wildnis rettet ihr Dark Cloud, ein heiliger Mann der Dakota, das Leben. Der hat eine Vision:

 

„...Es war eine Macht, die von Vergeltung getrieben wurde. In der Form einer Krähe. Einer weißen Krähe, welche die Krieger der Dakota in den Kampf führte...“

 

Noch ahnt er nicht, dass Anna eine besondere Gabe hat. Sie kann die Gedanken der Menschen kurz vor ihrem Tod lesen.

Sehr anschaulich wird das Leben der Dakota in den Reservaten beschrieben. Die Verantwortlichen verdienen sich eine goldene Nase und lassen die Dakota hungern. So hatte sich Will sein Tun bei der Armee nicht vorgestelt.

 

„...Dass man einen Menschen zum Tode verurteilte, nur dadurch, dass man ihm die Hilfe verweigerte und zusah, wie er jämmerlich zugrunde ging, auf eine derartige Idee war er bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekommen...“

 

Im Fort begegnen sich Will und Anna das erste Mal. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Die Situation zwischen den Dakota und der Armee, aber auch den Siedlern spitzt sich zu. Grausamkeiten auf beiden Seiten zeichnen sich ab.

 

„...Die Indianer waren getäuscht und betrogen wurden. Und das vor den Augen des Staates...“

 

Anna wird bei den Dakota als Kriegerin verehrt. Sie hat einen Platz im Rat der Männer. Immer noch lodert in ihr der Hass aus der Vergangenheit.

Intensive Gespräche über Krieg und Frieden bereichern die Geschichte. Es wird von Seite zu Seite deutlicher, dass die Gier des weißen Mannes nichts anderes will, als die indianischen Völker auszurotten, um sich bedenkenlos an deren Land bedienen zu können. Verträge sind dazu da, um gebrochen zu werden. Anna und Will fragen sich, wie sich das mit Demokratie und christlichen Glauben vereinbaren lässt.

 

„...Sieh sie dir an, die Menschen, die sich für zivilisiert und christlich halten. Wie sie sich am Abschlachten anderer ergötzen! Wie sie im Namen ihrer eigenen Sicherheit zu brutalen Bestien werden und gezielt Jagd auf die machen, die ihren Plänen im Wege stehen könnten...“

 

Das Buch schlägt einen großen Bogen von 1860 bis zu den letzten Niederlagen der Dakota.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Es macht betroffen, zu lesen, zu welch Verbrechen die Gier den Menschen treiben kann. Will zieht die Konsequenz aus seinen Erfahrungen. Er verlässt Amerika.