Rezension

Ein Einblick in das Leben von Frauen mit ADHS

Weibliche AD(H)S -

Weibliche AD(H)S
von Astrid Neuy-Lobkowicz

Bewertet mit 4 Sternen

Ein wertvolles Werk mit Tücken – Neuy-Lobkowicz beleuchtet die Herausforderungen weiblicher ADHS, aber bleibt manchmal zu oberflächlich.

Dr. med. Astrid Neuy-Lobkowicz widmet sich in ihrem Buch einem sehr spannenden Thema: der spezifischen Ausprägung von ADHS bei Frauen. Als Ärztin, Mutter und Betroffene verwebt sie persönliche und professionelle Erfahrungen, zeichnet ein umfassendes Bild, das weibliche ADHS als facettenreiche, oft unterschätzte Problematik aufzeigt. 

Neuy-Lobkowicz bietet eine emotionale Nähe und Authentizität, die vor allem Betroffene anspricht. Die Darstellung der verschiedenen Formen von ADHS – von hyperaktiv bis hypoaktiv – hilft dabei, unterschiedliche Symptome zu erkennen, die bei Frauen oft unentdeckt bleiben. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie die Autorin die emotionalen Kämpfe und gesellschaftlichen Erwartungen von Frauen mit ADHS aufzeigt. Hier wird klar, wie oft ADHS bei Frauen als Depression oder Erschöpfung fehldiagnostiziert wird.

Das Buch besticht durch eine klare Struktur, die sich an den unterschiedlichen Lebensphasen und Herausforderungen von Frauen orientiert. Themen wie Hormone, Schwangerschaft, Mutterrolle und Menopause machen deutlich, dass ADHS nicht nur eine neurologische Störung ist, sondern eng mit sozialen und biologischen Faktoren verknüpft ist. Auch das Kapitel über Strategien zur Selbstorganisation und Selbstmotivation zeigt praxisnahe Ansätze auf, die Frauen im Alltag helfen können. 
Trotz dieser Stärken bleibt die wissenschaftliche Tiefe an manchen Stellen auf der Strecke. Die Autorin betont die Wichtigkeit einer leitliniengerechten Behandlung, liefert aber oft nur vage Hinweise auf Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse, ohne diese umfassend zu erläutern. Gerade für Leserinnen, die sich vertieft mit der Thematik auseinandersetzen möchten, fehlt es an klaren, fundierten Belegen und Referenzen.

Zudem könnte das Buch stellenweise als zu emotional und anekdotisch wirken. Zwar wird dadurch eine hohe Identifikation mit den Betroffenen erreicht, doch wissenschaftlich interessierte Leserinnen könnten sich mehr Objektivität und Distanz wünschen. Diese Balance gelingt Neuy-Lobkowicz nicht immer.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die gelegentliche Pauschalisierung: Frauen mit ADHS werden oft in einer Opferrolle dargestellt, ohne ausreichend auf die Ressourcen und Stärken einzugehen. Dies könnte bei Betroffenen eher zu Resignation statt zu einem gestärkten Selbstbewusstsein führen.

Fazit: 
Dr. med. Astrid Neuy-Lobkowicz leistet mit ihrem Buch einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über ADHS bei Frauen. Sie spricht offen über deren unsichtbaren Herausforderungen, die sie im Alltag meistern müssen und gibt wertvolle Tipps zur Selbsthilfe. Dennoch bleibt das Werk in wissenschaftlicher Hinsicht stellenweise hinter den Erwartungen kritischer Leserinnen zurück. Es ist ein empfehlenswertes Buch für Betroffene, die nach emotionaler Unterstützung und praktischen Hinweisen suchen.