Rezension

Ein einzigartiges Buch, aber ob die Brücken tragfähig sind?

Die Evangelikalen - Jürgen Mette

Die Evangelikalen
von Jürgen Mette

Der 1952 geborene Theologe, Jürgen Mette, lädt in diesem Buch dazu ein, Christen anderer Denominationen anzunehmen. Er selbst ist in einem frommen Elternhaus aufgewachsen, und er ist dankbar für diese Prägung. Nach seinem Theologiestudium arbeitet er als Evangelist, in der Medienbranche und in der evangelischen Allianz. 

In späteren Jahren erkrankt er an Parkinson, was für ihn ein starker Einschnitt ist. Vielleicht ist es vor allem dieses Erlebnis, und die Frage nach dem Leid, die ihn zum Nachdenken bringt. Er will sich verändern und wandeln und stets von anderen Christen korrigieren lassen. Manches, das er vorher nicht zu hinterfragen wagte, ist für ihn nun nicht mehr so klar.

Nach einem Einblick in seiner persönlichen Geschichte, wirft Jürgen Mette viele Fragen auf. Er will bibeltreue Christen dazu einladen einen historisch-kritischen Zugang zur Bibel nicht von vorne herein abzulehnen. Er wirbt für Verständnis, wenn es um sexualethische Fragen geht. Dabei gibt er keine Antworten, und der Leser kann seine Ansicht nur erahnen. Es geht ihm wohl auch nicht um Antworten, sondern um ein gnädiges Annehmen des Anderen.

Mit sprachlich pfiffigen und wunderbar anschaulichen Formulierungen („wer Schaum vor dem Mund hat, sollte sich lieber rasieren“) ist das Lesen größtenteils ein Genuss. Menschen, die in der Gemeinschaftsbewegung aufgewachsen sind, werden sich in seinen Kindheitserinnerungen wiederfinden. 

Warum trotzdem nur drei Sterne? Das Thema Einheit ist in der Tat sehr wichtig. Nach Johannes 17 ist es Jesus ein großes Anliegen, dass seine Nachfolger sich lieben. Aber auch wenn Jürgen Mette das Problem durch seine Allianztätigkeiten kennt, bietet dieses Buch nicht wirklich eine Lösung an.

Er geht vor allem auf Bibelkritik und sexualethische Themen ein, dabei gibt es viele andere Fragen, die Gemeinden spalten. Welche Ämter dürfen von Frauen besetzt werden? Wann wird getauft? Welche Rolle spielen Geistesgaben?

Bei der Bibelkritik möchte der Autor dem Leser nahelegen, dass Bibellesen immer schon Kritik beinhaltet, denn beim Lesen überlegt man welche Aussagen zeitbedingt sind, und welche uns heute noch betreffen. Im Buch klingt es manchmal so, als sei das Studium der Theologie notwendig, um die Bibel wirklich zu verstehen. Die Geschichte der Kirche widerlegt das. Ob in der ersten Gemeinde oder heute unter verfolgten Christen; viele ungebildete Menschen verstehen weitaus mehr von der Bibel als studierte Theologen. Das liegt mit Sicherheit an der Mitwirkung des Heiligen Geistes beim Lesen, etwas, das keine Wissenschaft erklären kann.

Obwohl das Thema Homosexualität immer wieder aufgeführt wird, bleiben die Aussagen dazu sehr vage. Es scheint, dass der Autor weiterhin zu den bibeltreuen Evangelikalen gezählt werden möchte, aber vielleicht nicht so ganz. Als Leser bleibt man an einigen Stellen verwirrt zurück. Was wurde eigentlich über dieses Thema ausgesagt?

Erstaunlich sind die Aussage im Gespräch mit Wolfgang Bühne. Der Autor sagt an dieser Stelle, dass Pfarrer, die eine leibhaftige Auferstehung ablehnen eher seine Geschwister sind als Christen, die ihm die Bibeltreue abstreiten. Abgesehen davon, dass seiner Meinung nach die Leugnung einer leibhaftigen Auferstehung eine theologische Extravaganz ist, scheint diese Entgegnung sehr lieblos zu sein.

Fazit: Einzigartig geschrieben, mit einer fesselnde Schreibweise und einigen interessanten Denkansätzen, ist es jedoch fraglich, ob der Inhalt tatsächlich hilft Brücken zwischen Christen zu bauen, oder Gräben vertieft.