Rezension

Ein emotionsgeladener Roman vor der Kulisse des 2. Weltkrieges

Wenn die Schatten einmal weichen -

Wenn die Schatten einmal weichen
von Lynn Austin

"Wenn die Schatten einmal weichen" ist ein tiefgründiger Roman vor der Kulisse des 2. Weltkrieges, genauer gesagt vor der niederländischen Kulisse des besagten Krieges.
Im Mittelpunkt des Buches stehen die 3 Frauen Lena, Ans und Mirijam, deren Schicksal unwiederbringlich miteinander verknüpft ist . Kurz bevor die Deutschen 1940 die Niederlande besetzen, macht sich Lenas Tochter
Ans, auf in ein neues , unabhängiges Leben. Während Ihre Mutter die ländliche Idylle auf Ihren Hof niemals gegen ein anderes Leben eintauschen möchte und könnte, drängt es Ihre Tochter in die Großstadt Leiden. Dort trifft sie auf die Jüdin Mirijam, die gemeinsam mit Ihren Vater aus Deutschland geflohen ist und nun versucht sich in den Niederlanden ein neues Leben aufzubauen.
Thematisch sprach mich das Buch bereits nach Lesen des Klappentextes an. Ich hatte schon immer einen Faible für Bücher, die vor der Kulisse des 2. Weltkrieges spielen, in diesem Buch vor der Kulisse der Niederlande, die lange Zeit eher ein verklärtes Bild von sich als Nation und der Rolle im Nationalsozialismus hatten. Erst in den vergangenen Jahren setzen sich die Niederländer selbstkritisch und realistisch mit Ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinander und ich war gespannt wie Lynn Austin mit dieser Rolle in Ihrem Roman umgehen würde.

Der Einstieg in den Roman ist zu Beginn etwas holprig für mich gewesen.
Zunächst bin ich mit den kurzen Kapiteln und den immer wieder wechselnden Perspektiven nicht wirklich "warm" geworden. Die kurzen Kapitel machten es schwierig für mich Zugang zu den Charakteren zu finden. Doch bereits nach einigen wenigen Kapiteln änderte sich das. Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und flüssig, so dass man sich sehr gut auf die Handlung bzw. Die verschiedenen Handlungsstränge konzentrieren kann. Mir fiel es schwer die ganzen emotionalen Eindrücke zu verarbeiten. Obwohl die einzelnen Kapitel kurz und übersichtlich gehalten sind, fesseln sie einen zutiefst.
Die Atmosphäre des Buches ändert sich zetigleich mit den historischen Entwicklungen in den Niederlanden. Man spürt als Leser quasi zunehmends wie die Luft für die jüdische Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes immer dünner wird. Man wird geradezu hineingezogen in einen Strudel aus Angst, Ungewissheit und den kleinen Funken Hoffnung, den sich die Menschen nicht nur in diesem Buch, sondern auch in der Vergangenheit bewahrt haben. Die Spannung nimmt im Laufe des Buches, der Handlung , ja dem Fortschreiten des Krieges immer weiter zu , doch hat mich das Ende dann doch ein wenig enttäuscht. Ohne allzu viel zu verraten kann ich sagen, dass es mir alles andere als realistisch vorkam, die meisten Leser das ende aber wohl als "schön" und versöhnlich empfinden werden.
Die Frage nach Gott und dem eigenen Glauben ist ein zentrales Thema des Buches. Dreh- und Angelpunkt ist das Gottvertrauen, welches mir selber fremd ist. Und auch mit einem enormen zeitlichen Abstand ist es mir ein Rätsel wie man nach dem zweiten Weltkrieg und der Vernichtung der Juden daran festhalten kann. Der Glaube der einzelnen Figuren steht im krassen Gegensatz zu dem beschriebenen Kriegsalltag. Immer noch bin ich hin- und hergerissen und fühle so wie auch die Figuren dieses Romans gefühlt haben. Es gab unglaublich emotionale Szenen, dann wiederum Ereignisse die einen den Atem stocken ließen und dann wieder Augenblicke der bitteren Erkentnisse.
Zusammenfasssend kann ich sagen, dass der Autorin ein spannender und abwechslungsreicher Roman mit starken Charakteren gelungen ist, die es so auch in "Echt" hätte geben können. Der Bezug zum Glauben und der Religion war für meinen Geschmack jedoch ein bisschen zu sehr Thema, was dem Lesegenuss allerdings keinen Abbruch getan hat. Wer zudem gerne mehr über die Rolle der Niederländer während des Nationalsozialismus erfahren möchte, und dabei auf eine spannende Lektüre zurückgreifen will, dem kann ich dieses Buch empfehlen.