Rezension

ein etwas anderer Krimi, interessant

Im Namen der Väter - Andreas Oberholz

Im Namen der Väter
von Andreas Oberholz

"Im Namen der Väter“ von Andreas Oberholz ist der zweite Band einer Psychoanalysekimi-Serie. Wie fast immer gilt: es gibt kein unbedingtes Muss, den ersten Teil gelesen zu haben, um in den zweiten Band einsteigen zu können. Rückblicke auf das Kennenlernen der Kommissarin Amina Reshad und dem Psychoanalytiker Adrian Sur aus dem ersten Krimi „Hinter dem Schatten – Seelenmord“, geben einen guten Einblick auf das Verhältnis zwischen den Beiden. Es dauert allerdings eine geraume Zeit, bis sie in diesem Fall an einem Strang ziehen, und das hat gute Gründe.
Verschwiegenheitspflicht heißt auch, dass in einer Partnerschaft nicht über Fälle geredet werden darf. Und das ist schwierig, wenn beide in Berufen tätig sind, die dieses voraussetzen. Amina wird mit Mordfällen an türkische Männer im Rahmen ihrer Arbeit als Kriminalkommissarin konfrontiert, Adrian mit einer Patientin, die mit den Strukturen, Sitten und Gebräuchen ihrer Familie nicht mehr klar kommt. Noch dazu kommt ein Neuer ins Team von Amina, der erst einmal eingearbeitet werden muss. Die üblichen Querelen eines Teams samt Chef spielen auch hier eine Rolle, wobei ebenfalls die Schweigepflicht ein nicht unerheblicher Grund für Streitigkeiten und Schwierigkeiten zur Lösung der Fälle beiträgt. Dazu kommt, dass der neue Kollege als verdeckter Ermittler gearbeitet hat.
Warum nun trägt das Buch den Zusatz Psychoanalysekrimi? Hier geht es in die Tiefe, in die Abgründe. Hier schaut der Autor sich die Figuren genauer an, die Hintergründe, Randbedingungen, Historie. Wie umfassend spielen Traditionen und Rituale bei Familien eine Rolle, die in die Fremde auswandern, um ihr Glück zu suchen. Welche Bande gilt es zu erhalten, um sich in fremder Umgebung eine Heimat aufzubauen? In dieser Umgebung erleben wir die Kinder einer türkischen Familie, die sich einerseits in deren Rahmenbedingungen zurechtfinden müssen, andererseits aber auch in einer Welt, in der sie nun versuchen zu Leben und zu Arbeiten. Es heißt, dem Willen des Vaters ist nachzukommen, der Familie, die Ehre, sofern sie auf dem Spiel steht, wieder herzustellen, womit der Sohn absolut nicht zurechtkommt, genauso wenig wie die Tochter.
Auf der anderen Seite sehen wir gescheiterte Familien, deren Söhne die Väter vermissen, ihre Liebe, Fürsorge, Anerkennung. Was passiert, wenn diese sie in der eigenen Familie nicht finden? Sie suchen sie an anderer Stelle, in Kirchen, in Verbänden, Vereinigungen, wo ein Älterer, ein vermeintlich Klügerer ihnen Halt und all das geben, was sie schmerzlich entbehren müssen. Radikale Stränge auf beiden Seiten finden hier Anklang, IS, genauso wie rechtsgerichtetes Milieu.
Dabei versteht es der Autor, sich hineinzuversetzen in die verschiedenen Figuren, ihre Gedankenwelt zu erläutern.
Die Söhne werden aufgefangen, wollen im Grunde aber, dass ihre wahren Väter endlich stolz auf sie sein können. Dadurch kommt es zu Handlungen, die auf ein großes Showdown hinausläuft. Auf Anschläge im großen Stil.
Und Amina und Adrian? Versuchen hinter all die Beweggründe zu kommen, ohne ihre eigenen Regeln zu verletzen. Morde aufzuklären, die auf den ersten Blick so einfach zu lösen wären. Wenn die betroffenen Menschen mit ihnen reden würden. Was sie nicht tun. Und sie bitter bereuen.
Sprachlosigkeit, die sich nur durch Handeln lösen lässt, auch wenn dafür viele Leiden müssen. Das ist das wichtige Thema des Autors, das diesen Krimi wie ein roter Faden durchdringt und einen inne halten lässt, uns darüber nachdenken lässt, wann wir aus falsch verstandenen Regeln nicht gesprochen haben. Unbedingt lesenswert.