Rezension

Ein Ex-LKA-Mann und chinesische Geschäfte auf Sardinien

Die Chinesin -

Die Chinesin
von Jochen Brunow

Bewertet mit 4 Sternen

Gerhard Beckmann hat in der Abteilung Organisierte Kriminalität beim LKA Berlin gearbeitet und lebt seit seiner Frühpensionierung in Sardinien. Der Tod seiner Frau Anja führte zum Bruch mit Tochter Doris, die in Hamburg als Brokerin für Tanker und Containerschiffe arbeitet. Beckmanns Begegnung mit der chinesischen Masseurin Xia am Strand, die vermutlich illegal auf der Insel arbeitet, konfrontiert ihn mit einem Geflecht von Geschäften, denen Chinesen auf der Insel nachgehen. Von Handel, Gastronomie, Glücksspiel, Menschenhandel bis zum Triaden-System wird allerlei geboten. Beckmanns Backgammonpartner, Maresciallo Lorenzo Farini, scheint zwar informiert über Verbindungen seiner Heimat nach Asien, man sieht jedoch zunächst wenig Aktivität seiner Dienststelle im Fall der verschwundenen Xia. Gewundert habe ich mich, dass der deutsche Ex-LKA-Mann alles für bare Münze nimmt, das Farini über chinesische Geschäfte zum Besten gibt, und sich erst spät genötigt sieht, den doppelten Boden zu suchen, der die Beteiligung italienischer Stellen verbergen könnte. Weitere interessante Schleifen zu China-Themen entstehen durch Genua als Endpunkt der „Neuen Seidenstraße“ und Doris Beckmanns Beruf, in dem sie sich u. a. mit Havarien vor den Spratly-Inseln im südchinesischen Meer befasst. Als Beckmann Zeuge eines Überfalls auf eine Chinesin wird (die er spontan für Xia hält), muss er sich entscheiden, ob er als Ermittler oder Privatmann handeln wird. Dass über China-Fragen in Europa britische Kollegen am besten informiert sind und wie drängend seine zuverlässige Quelle Brian ihm ins Gewissen redet, zwingt Beckmann schließlich zur Auseinandersetzung damit, welche Ziele China auf Sardinien eigentlich verfolgt.

Fazit
Mit Focus auf den sardischen Carabiniere Lorenzo Farini und den Ex-LKA-Ermittler Gerhard Beckmann baut der Autor vor überzeugendem Inselflair ein bis zum Schluss spannendes Szenario auf. In Nebenrollen treffen wir Beckmanns Tochter Doris, seine Affäre Franca und eine weibliche Ermittlerin, die damit charakterisiert wird, dass sie stets lächelt und stets eine Hand auf dem Oberschenkel eines männlichen Kollegen hat. Plot und Schauplatz überzeugen, sprachliche wie logische Mängel haben mich zu Anfang jedoch zu stark von der Handlung abgelenkt. Als Sprachsünden lässt sich quasi alles auflisten, das mich beim Lesen ärgert: überflüssige Adjektive, Behauptung statt Beschreibung, Fremdwörter, Architekten- und Mediziner-Slang, Verbbildung im Dialekt, Wiederholungen innerhalb weniger Sätze. Lieber als zwei Erwachsenen zum zweiten Mal beim ungeschützten Sex zuzusehen hätte ich früher erfahren, was Beckmann ausmacht und wie professionell er noch denkt und handelt. Beim Blick auf die Logik fehlte mir zunächst die Erklärung, wie Xia und der „Schilfjunge“ vernommen werden konnten, obwohl sie nur gebrochen Italienisch sprechen und wie Beckmann aus Xias wenigen Worten komplexe Zusammenhänge begreifen konnte. Wer sich für Architektur und Sardinien an sich interessiert, kann hier zugreifen.