Rezension

Ein herrlich leichter Roman mit philosophischer Substanz

Der Hut des Präsidenten - Antoine Laurain

Der Hut des Präsidenten
von Antoine Laurain

Chapeau! Ein Hut mit magischer Inspirationskraft

Nach Antoine Laurains wunderbarem Roman Liebe mit zwei Unbekannten, den ich mit Begeisterung gelesen habe, ist nun vor einigen Tagen ein weiteres seiner außergewöhnlichen Bücher in deutscher Sprache erschienen: Der Hut des Präsidenten.  Und auch dieses Mal verzaubert uns der französische Schriftsteller wieder mit einem brillanten Roman à la française, dessen singuläre Geschichte er mit viel Charme, Esprit und feinem Humor erzählt. Laurains Werke versprühen mit ihrer Poesie und Leichtigkeit ein ganz besonderes Flair, das beflügelt und glücklich stimmt. Dahinter blitzen jedoch immer auch existentielle Themen auf, die der Autor ganz subtil und leise mit einfließen lässt. So vereint er Poesie und Philosophie auf seine ganz eigene, sehr betörende Weise, wie er auch mit dieser originellen Erzählung einmal mehr beweist.

Ein Hut, der verleitet

Als der unscheinbare Buchhalter Daniel Mercier sich nach einem stressigen Tag ein schönes Essen in einer gehobeneren Brasserie gönnt, traut er seinen Augen nicht, als der französische Staatspräsident François Mitterand und seine Berater hereinkommen und sich an einem Tisch ganz in seiner Nähe ein Dinner bestellen. Gebannt versucht Mercier, der Unterhaltung des Staatsoberhauptes und seiner Begleiter zu lauschen und kann nicht fassen, was gerade vor sich geht. Als Mitterand schließlich mit seiner Entourage die Brasserie wieder verlässt, vergisst er seinen Hut an der Garderobe. Als Mercier es bemerkt, tut er etwas für ihn völlig Undenkbares: Anstatt dem Kellner mitzuteilen, dass Mitterand seinen Hut vergessen hat, nimmt er ihn einfach mit – eine ganz spontane Aktion, die absolut wider seiner Natur ist. Schon als er ihn auf dem Heimweg aufsetzt, passiert etwas Sonderbares: Er fühlt sich plötzlich selbstsicher und furchtlos – als könnte ihm alles gelingen. Und genau das tritt dann auch tatsächlich ein: Er traut sich zum ersten Mal, seine Meinung gegenüber seinem Chef und dessen Vorgesetzten zu vertreten und wird prompt befördert. Mercier ist davon überzeugt, dass dies alles nur an dem Hut liegen kann und hütet ihn wie seinen Augapfel. Doch in einem unachtsamen Moment passiert es: Er vergisst ihn im Zug.

Ein Hut, der beflügelt

Doch schnell findet der Hut eine neue Besitzerin: Fanny Marquant, Sekretärin und Hobbyschriftstellerin, die unter ihrer unglücklichen Affäre mit dem verheirateten Édouard leidet und nicht die Kraft hat, sie zu beenden. Auch ihr Leben nimmt eine unerwartete Wendung, die sie selbst am meisten überrascht.  Und ein weiteres Mal wechselt der Hut den Besitzer: Nunmehr ist es der weltberühmte Parfumeur Pierre Aslan, „die Nase“ genannt, der sich in einer Existenz- und Schaffenskrise befindet, da ihm keine Parfumkreation mehr gelingen will. Auch er erwacht plötzlich aus seiner Lethargie und findet auf beinahe wundersame Weise seine Kreativität zurück. Noch ein letztes Mal wirkt der Zauber, als der Hut mit der magischen Inspirationskraft schließlich zu Bernard Lavallière gelangt, ein konservativer Adliger, der insgeheim ein Freund der Sozialisten ist und nicht den Mut hat, sich vor seinen adligen Freunden zu behaupten. Auch sein Leben gerät zu seiner Freude, aber zum Leidwesen seiner Mitmenschen völlig aus den Fugen.

Ein Hut, der verändert

Währenddessen versucht Daniel Mercier, der mittlerweile Chef seines Chefs geworden ist, mit allen Mitteln, den Hut wiederzufinden, denn sein Glücksbringer ist für ihn unverzichtbar geworden, obwohl es mit seiner Karriere auch ohne das Inspirationsobjekt weiter bergauf geht. Seine Suche gestaltet sich zwar äußerst schwierig, aber der Zufall – oder der Hut – will es, dass alles ganz anders kommt als er denkt…

Ein herrlich leichter Roman mit philosophischer Substanz

Was mir an Laurains Romanen ganz besonders gut gefällt, ist ihre scheinbare Leichtigkeit, die uns dazu bringt, seine Bücher zumeist in einem Zug zu lesen und uns dann mit einem Gefühl von heiterer Schwerelosigkeit zurücklässt. Doch hinter der Leichtigkeit und dem charmant anmutenden französischen Flair werden die großen Themen des Lebens sichtbar. Der Hut symbolisiert den Mut, einen Neuanfang zu wagen, die Kraft, etwas zu beenden und die Courage, sich als Mensch mit seiner Sicht der Dinge in einer Gesellschaft zu behaupten, in der Individualismus unbequem ist. Mit seinen nuancierten Porträts der vier unterschiedlichen Charaktere, die alle durch ihre existentielle Lethargie verbunden sind, zeigt der Autor auf seine unnachahmliche, sehr unterhaltsame Weise, dass manchmal nur ein kleiner Anstoß nötig ist, um einem eingefahrenen Leben eine neue, ungeahnte Wendung zu geben. Der Hut des Präsidenten ist ein spritziger, sehr lebenskluger Roman, den man wie ein Glas guten französischen Rotwein genießt und berauscht beendet.