Rezension

ein intelligenter und spannender Krimi

Der Kopf des Korsen - Jean Renard

Der Kopf des Korsen
von Jean Renard

Bewertet mit 5 Sternen

Der Kopf des Korsen/Jean Renard

Wenn ein Krimi-Autor schon „Renard“ (=Fuchs) heißt, darf der Leser auf eine augenzwinkernde Geschichte hoffen.

Der Autor führt seine Leser nach einer missglückten Kommandoaktion der Hauptfiguren in Paris auf die wunderschöne Mittelmeerinsel Korsika.

Jacques Andreotti hat bei der Aktion Undercoverpolizist Andrea Lefevre enttarnt und hat den Sohn des Pariser Mafiabosses erschossen. Der Pate ruft nach Rache und setzt ein Kopfgeld auf beide aus.

Diese Versetzung nach Korsika gleicht einer Verbannung. Die beiden sind sich überhaupt nicht grün, sollen aber als Sonderermittler einen Mord an einem Polizisten aufklären.

Mit von der Partie ist Andreottis Tochter Cécile, für die er nach dem Unfalltod seiner Frau allein verantwortlich ist.

Andreotti, ein gebürtiger Korse, hat nicht nur Freunde auf der Insel. Zu denen, die ihm mit Argwohn begegnen, zählt auch seiner Schwiegermutter, mit der er einen kaum zu gewinnenden Kampf ausficht.

Die beiden höchst unterschiedlichen Männer haben außer der Verbannung noch die gegenseitige Abneigung gemeinsam.

Schon bald nach der Ankunft werden sie in Familienfehden hineingezogen, die seit Jahrhunderten gepflegt werden. Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn – heißt die Devise der Korsen.

Der Showdown lässt die Spannung nochmals extrem steigen.

Der Krimi ist komplex und dennoch leicht zu lesen. Die beiden Hauptfiguren sind spannungsgeladen und hervorragend herausgearbeitet. Sie sind eingebettet in eine Vielzahl von manchmal skurril anmutenden Nebenfiguren. Schwiegermutter Maria ist eine solche, trommelt sie doch eine „Privatarmee“ zusammen, die neben den offiziellen Bodyguards, ihre Enkelin beschützen soll. Eine durchaus köstliche Darstellung gibt auch Clan-Chefin Maurine ab.

Natürlich bedient sich der Autor einiger Klischees:

  • rachesüchtige, von der Vendetta geplagte Korsen, die mit der abgesägten Schrotflinte im Krankenhausbett liegen und/oder schnell das Messer bei der Hand haben
  • hübsche, aber eigensinnge Korsinnen
  • vom Wetter und Schicksal gegerbte Witwen, die die Familie zusammenhalten
  • russische Auftragkiller
  • korrupte (französische) Ordnungshüter
  • leicht dümmliche italienische Mafiosi, die sich schon mehrmals eine blutige Nase geholt haben
  • Motorradfahrer, die als Unruhestifter verdächtigt werden

Der Krimi lebt nicht nur von der spannenden Handlung sondern auch von den diesen bisweilen kauzigen Gestalten.

Ein besonders netter Einfall ist der Hinweis auf „Nummer 20“, bezieht er sich doch auf Uderzos und Goscinnys Comic-Serie „Asterix und Obelix“. Band XX „Asterix bei den Korsen“. Dort wird in ähnlicher Weise die korsische Tradition (Wildschweinbraten, Raufhändel usw.) dargestellt.

„Frag die Alten und verprügele die Jungen“ - so lautet das Resümee aus dem berühmten Comic, das sich auch bei diesem Krimi der empfehlenswerte Leitsatz ist.

Die Krimihandlung finde ich gut durchdacht und authentisch. Durch das hohe Tempo kommt nie Langeweile auf. Der Autor hält seine Leser auf Trab und bringt ihm auf subtile Weise die Schönheit der kargen Landschaft Korsikas näher.

Ein köstlicher Einfall sind auch die Klingeltöne der Handys: bei Andrea - "The man with the harmonica" aus "Spiel mir das Lied vom Tod" und bei Jacques (eigentlich auf Korsika ein no-go): die "Marseillaise".

Wie immer beim Emons-Verlag ein ausdruckstarkes Cover, das sich nahtlos der Story einfügt. Ich darf mir nochmals beim Emons-Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken, das ich auf der BuchWien erhalten habe.

Fazit:

ein toll konstruierter Krimi, der durch die Vielschichtigkeit seiner Charaktere und dem hohen Tempo einen außerordentlichen Lesegenuss darstellt und sich von der Vielzahl von Krimis wohltuend abhebt.

Wer intelligente, spannende Krimis liebt, wird mit diesem Buch eine große Freude haben.