Rezension

...ein interessanter Blick auf die Anfänge der BBC!

Radio Girls - Sarah-Jane Stratford

Radio Girls
von Sarah-Jane Stratford

Die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts: Der 1. Weltkrieg war zwar vorbei aber noch lange nicht vergessen. Die Gesellschaft war im Umbruch begriffen. Das öffentliche Leben nahm wieder an Fahrt auf, und auch die Frauen definierten sich und ihre Rollen neu. Die Welt schien ihnen offen zu stehen: Doch viele unausgefochtene Kämpfe warteten noch auf sie, da das männliche Patriarchat noch allgegenwärtig war. Frauen eroberten sich Berufe, die sonst den Männern vorbehalten waren. Und auch das neubeschlossene Frauenwahlrecht leistete seinen grundlegenden Anteil zur weiblichen Emanzipation…!

Es ist das Jahr 1926. Die aus einfachen Verhältnissen stammende Maisie Musgrave bewirbt sich bei der BBC – British Broadcasting Corporation, in der Hoffnung einen der begehrten Posten als Sekretärin zu ergattern. Das Glück ist ihr hold: Trotz mangelnder Referenzen wird sie einerseits die Assistentin der Sekretärin vom Generaldirektor John Reith, andererseits soll sie auch als Sekretärin für den Programmdirektor der Vortragsabteilung tätig sein. Zu ihrer größten Überraschung entpuppt sich der Programmdirektor als die agile, moderne und intelligente Hilda Matheson, die mit gewagten Themen und provokanten Referenten einen frischen, modernen Wind durch die BBC wehen lässt – häufig sehr zum Missfallen von Direktor John Reith, der zwar eine gute Publicity durchaus zu schätzen weiß, ansonsten allerdings eher einen konservativen Kurs fährt. Maisie ist fasziniert von dieser scharfsinnigen Frau und entdeckt dank dieser Mentorin ihr eigenes Potential. Peu à peu entwickelt sie sich vom schlichten, verängstigten Mädchen zur gescheiten, selbstbewussten jungen Frau, die, selbst als ihr Liebster dem Einfluss von Faschisten verfällt, nicht von ihrer Haltung abweicht…!

Der Autorin Sarah-Jane Stratford ist – Wie formuliere ich es treffend? – ein pulsierender Roman gelungen. Ja, „pulsierend“ trifft es am besten: Sie treibt die Handlung zügig voran und porträtiert das Arbeiten im Savoy Hill, dem damaligen Sitz der BBC, als ein schwirrender Bienenstock, wo weder die Zeit noch die dort tätigen Menschen still zu stehen scheinen. Alles ist in Bewegung! Schnelligkeit scheint gefordert! Ein rasches Handeln entscheidet über Erfolg oder Misserfolg!

Das Auftreten historischer Persönlichkeiten und die geschichtlichen Ereignisse der Zeit (Frauenwahlrecht, der schwarze Freitag) werden geschickt mit der Handlung verwoben, ohne dass dies aufgesetzt wirkt oder den Fluss der Geschichte bremst. Auch die Gefahr, die durch die Anhänger des Faschismus in Großbritannien ausgeht, wird glaubhaft dargestellt und ohne übermäßige Effekthascherei beschrieben.

So gibt die Autorin uns einen interessanten Einblick hinter den Kulissen der damals noch recht jungen BBC, der den Rahmen für die eigentliche Geschichte bildet. „Radio Girls“ ist im Grunde eine Geschichte über die Emanzipation der Frauen. Maisie Musgrave steht stellvertretend für alle Frauen, die die Ketten der Vergangenheit abschüttelten, den männlichen Konventionen trotzten und ihre Chancen ergriffen, da sie mehr wollten (und konnten!) als einzig und allein Schreibkraft, Vorzimmerdame, Ehefrau oder Mutter zu sein.