Rezension

Ein Meister der Worte

Nachtfalter - James Sallis

Nachtfalter
von James Sallis

Nach „Stiller Zorn“ ist  „Nachtfalter“ von James Sallis der zweite Band der sechstteiligen Lew Griffin-Reihe, erstmals 1993 im Original und 2000 in der deutschen Übersetzung erschienen.
 
Lew Griffin ist Anfang fünfzig, lebt in New Orleans, war früher Alkoholiker, hat seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv verdient, ist aber mittlerweile Schriftsteller und Teilzeitlehrer, und bemüht sich verzweifelt, den Kontakt mit seinem vergangenen Leben zu vermeiden, weshalb er auch seinen Wohnsitz in eines der besseren Wohnviertel verlagert hat. Aber man kann nicht immer alle Brücke hinter sich abbrechen, denn manchmal holt einen die Vergangenheit dann doch wieder ein.
 
Als LaVerne, seine geliebte ehemalige Freundin stirbt und kurz darauf ihre Tochter spurlos verschwindet, fühlt Griffin wieder einmal die Last der Welt auf seinen Schultern. Er empfindet Verantwortung für das Mädchen, glaubt, dass er es ihrer Mutter schuldig ist, nach ihr zu suchen und dafür zu sorgen, dass ihr kein Unheil geschieht. Aber dazu muss er wieder in die dunklen Abgründe des „Big Easy“ eintauchen und sich nicht nur physisch sondern auch emotional auf ein Terrain begeben, das ein Entkommen mit heiler Haut im Vorfeld schon ausschließt.
 
Verschwinden, Suchen und Finden sind die zentralen Themen in den Griffin-Romanen. Und dabei geht es einerseits um reale Personen, die abgetaucht sind, andererseits aber auch um die Suche nach dem wahren Selbst und dem Platz im Leben, kurz um die Suche nach dem Sinn.
 
Der Autor beschreibt sehr melancholisch seine Figuren und deren Lebensumstände, sind es doch in erster Linie diejenigen, die zu kurz gekommen sind und mit den verschiedensten  Enttäuschungen zu kämpfen haben. Dazu kommen dann noch die detaillierten Beschreibungen der Metropole am Mississippi, in deren Viertel sich der Protagonist bewegt. Dem Autor gelingt es, mit wenigen, aber immer den richtigen Worten, eine unglaublich dichte Geschichte zu erzählen und den Leser so ganz nah an seine Figuren heranzulassen.
 
James Sallis zu lesen ist eine Freude, ist er doch ein Meister des geschriebenen Wortes, was er uns mit jedem seiner Romane aufs Neue beweist. Nachdrücklich empfohlen!