Rezension

Ein Mord, dessen Motiv 64 Jahre zurückliegt

Brandung der Rache -

Brandung der Rache
von Regine Kölpin

Carsten Meckenwald, der Enkel des wohlhabenden und einflussreichen Immobilienmoguls Hartmut Meckenwald, ersehnt schon seit geraumer Zeit, dass sein über 80-jähriger Großvater die Leitung des Unternehmens an ihn übergibt und in den Ruhestand tritt. Für den kommenden Tag hat sein Großvater ihm eine Überraschung angekündigt und Carsten geht davon aus, dass der Zeitpunkt nun endlich gekommen ist.

Später, am gleichen Abend, als sein Großvater immer noch nicht nach Hause zurückgekehrt ist und seine Frau Birthe sich Sorgen um das Wohlbefinden des alten Mannes macht, entscheidet sich Carsten dazu, noch einmal zur Firma am Wilhelmshavener Bontekai zu fahren. Dort entdeckt er seinen Großvater leblos in dem kleinen „geheimen Zimmer“ neben seinem Büro. In der Luft dieses Zimmers, in dem der wohlhabende Mann sich hin und wieder den Luxus einer Prostituierten gönnte, hängt der Geruch eines billigen Parfüms und auf dem Boden liegt ein bunter Chiffonschal.

Auf den ersten Blick sieht für Kommissarin Petra Erdmann alles danach aus, als ob Meckenwald von einer Prostituierten ermordet wurde; die Indizien sprechen eindeutig dafür. Daher fokussieren sich die Ermittlungen zunächst auf das Rotlichtmilieu. Als kurz darauf die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, die als Prostituierte tätig war, wird Erdmann klar, dass der Fall sich nicht so einfach lösen lässt, wie sie es anfangs angenommen hatte.

Wer hat Hartmut Meckenwald ermordet und warum?

Bei „Brandung der Rache“ handelt es sich um die überarbeitete Version der Ausgabe „Mörderische See“, welche am 02.07.2021 als Taschenbuch im GRIN-Verlag erschienen ist. Die damalige Ausgabe umfasste nur 316 Seiten im Gegensatz zum vorliegenden Werk, welches auf 360 Seiten erweitert wurde.

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog aus dem Jahr 1944 im damaligen Nazi-Deutschland.

In der gegenwärtigen Handlung trifft der Leser auf verschiedene Personen, deren Perspektiven sich abwechseln. Einige Zusammenhänge, wie sie mit der Person Hartmut Meckenwald in Verbindung stehen oder gestanden haben, werden erst gegen Ende des Buches deutlich.

Zum einen stehen Carsten Meckenwald, der Enkel des Verstorbenen, sowie seine Frau Birthe und deren Eltern im Fokus. Des Weiteren wird die Perspektive von Mechthild Driefels eingenommen, einer überaus loyalen Sekretärin, die seit Jahren in Meckenwalds Diensten steht. Die Geschichte wird auch durch Pawel Dzierwas erzählt, einem alten Mann, dessen Erscheinung als unscheinbar und ärmlich beschrieben wird. Er berichtet von seinem früheren Leben und dem seiner bereits vor Jahren verstorbenen Schwester. Einen weiteren Handlungsstrang bilden die Prostituierten Maja und Janina sowie deren Zuhälter Robin. Schließlich gibt es noch den Handlungsstrang der ermittelnden Kriminalkommissarin Petra Erdmann.

Die Ermittlungen stagnieren, da Meckenwald zwar ein wohlhabender und einflussreicher Mann war, jedoch in der Gegenwart keine offensichtlichen Feinde hatte, die ein Interesse daran gehabt hätten, ihn aus dem Weg zu räumen. Das Motiv für den Mord muss daher anders gelagert sein.

Während Erdmann sich bemüht, den Täter zu finden, versucht Mechthild Driefels – endlich! – ihre eigenen Interessen durchzusetzen und Birthe Meckenwald erhält Post, die in polnischer Sprache verfasst ist. Heimlich lässt sie diese Briefe übersetzen, ohne dass ihr Mann davon erfährt, und taucht so in das Leben einer Frau namens Anna ein, die als polnische Zwangsarbeiterin im Nazi-Deutschland auf einem Hof gearbeitet hat. Jeden Tag erreicht Birthe ein weiterer Auszug aus Annas Tagebuch und nach und nach wird ihr klar, dass Annas Geschichte auch, aber nicht nur, mit ihrem eigenen Vater zu tun hat. Und es wird ihr ebenfalls klar, dass das Motiv für den Mord an ihrem Schwieger-Großvater Hartmut Meckenwald seinen Ursprung in den 1944er Jahren hat, aber erst jetzt – 64 Jahre später – ausgeführt wurde. Der Täter ist jedoch kein Unbekannter.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und flüssig zu lesen und sowohl die agierenden Personen als auch die örtlichen Gegebenheiten konnte ich mir sehr gut vorstellen. Es gab aber nicht wirklich einen Sympathieträger in dieser Geschichte. Einzig zu Birthe konnte ich einigermaßen Zugang finden.

Ich stelle mir die Frage, ob die Überarbeitung und somit die Erweiterung des Buches um ca. 40 Seiten der Story gut getan hat, denn in meinen Augen zog sich die Geschichte doch stellenweise sehr und das ging eindeutig zu Lasten der Spannung. Erst als Birthe die Tagebuchseiten erhält, sie Stück für Stück in das Leben von Anna eintaucht und die Verbindung zu ihrem Schwieger-Großvater offensichtlich wird, entwickelt die Geschichte diesen gewissen Sog, den es braucht, damit man dann auch endlich wissen möchte, wie die Sache für alle Beteiligten endet. Die Enttarnung des Mörders war dann aber auch keine große Überraschung.

Leider hat mich die Geschichte nicht, wie erhofft, gepackt und mitgerissen. Es handelt sich durchaus um einen soliden Krimi, der mich persönlich jedoch nicht abgeholt hat.