Rezension

Ein präziser und detaillierter Bericht über die Geschichte des Rassismus.

Gebrandmarkt - Ibram X. Kendi

Gebrandmarkt
von Ibram X. Kendi

Bewertet mit 4 Sternen

»Die göttliche Vorsehung schicke Afrikaner in die Sklaverei ins christliche Amerika, damit sie von ihren Herren Kenntnis von der ruhmreichen Heilsbotschaft Christi erhielten. Sie sind Menschen, keine Tiere. … Allerdings ist ihre Dummheit entmutigend. Afrikaner zu belehren scheint keine geringere Aufgabe zu sein, als sie zu waschen.«

Afroamerikaner blicken auf eine lange Leidensgeschichte zurück. Noch heute ist ihr Leben von Benachteiligungen und Diskriminierung geprägt. Die statistische Wahrscheinlichkeit, von der Polizei getötet zu werden, liegt für einen jungen schwarzen Amerikaner einundzwanzigmal höher als für einen jungen Weißen und die durchschnittliche Finanzkraft weißer Haushalte übersteigt die schwarzer Haushalte um das Dreizehnfache.

 

Ibram X. Kendi, Professor für Geschichte und Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C. erzählt die Geschichte Schwarzer in Amerika von den Anfängen bis zur Gegenwart. Überaus präzise und detailliert ist sein Bericht, vermittelt den Eindruck von Vollständigkeit und ist reich an Zitaten.

 

»Diese Regierung wurde nicht von Negern und nicht für Neger geschaffen, sondern von weißen Männer für weiße Männer. Das Gesetz gründe auf der falschen Vorstellung von rassischer Gleichstellung. Die Ungleichheit der weißen und der schwarzen Rasse sei ein Brandmal von Geburt an.« (Jefferson Davis, 1860)

 

Für seinen Bericht hat er eine sehr reizvolle Art der Umsetzung gefunden, denn er reiht im Grunde fünf Biographien von Persönlichkeiten aneinander, die zu ihrer jeweiligen Zeit die ethnischen Vorstellungen und Ideen beeinflusst oder vertreten haben. Konkret haben wir es mit Cotton Mather, Thomas Jefferson, William Lloyd Garrison, W. E. B. Du Bois und Angela Davies zu tun. Ich gestehe, dass mir manche der Namen zuvor nicht viel gesagt haben, umso interessanter war zu lesen, wie wichtig ihre Lebensläufe und Gedanken für alle maßgeblichen Debatten zum Thema Rassismus waren und sind.

Als Basis stellt Kendi drei unterschiedliche Standpunkte vor, die seit Jahrhunderten diskutiert werden, schon dabei habe ich viel Neues erfahren, zum Beispiel, dass den Anti-Rassisten zwei Hauptströmungen rassistischer Ideen gegenüberstehen. Dann die vielen Theorien, die aufgestellt wurden um zu ergründen, weshalb es eigentlich Menschen mit heller und solche mit dunkler Haut gibt. Klimatheorie, Fluchtheorie und die Überlegung, ob eine schwarze Seele weiß werden kann – ich habe gestaunt, womit sich selbst Gelehrte befasst haben.

Was versteht man unter ethnischer Ungleichheit oder schrittweiser Gleichstellung? Und wie war das mit der Kolonisation? Interessant fand ich auch die Zusammenhänge von Sexismus und Rassismus, denn auch die Gleichheit der Geschlechter wird thematisiert.

 

Immer wieder gab es Abschnitte, bei denen ich beim Lesen richtig wütend wurde. Manchmal wusste ich nicht, was mich mehr empört, die Grausamkeit der beschriebenen Handlung oder die Argumentation, mit der sie „gerechtfertigt“ wurde.

 

Vielen berühmten Namen begegnet der Leser, denn natürlich haben Martin Luther King, Malcolm X und Barack Obama ihren Platz im Buch, das neben der Geschichte des Rassismus auch viel über die Geschichte der Vereinigten Staaten erzählt. Bei den Sachinhalten fehlt, so mein Eindruck, nichts.

Persönlich hätte ich es schön gefunden, wenn es noch ein paar Bilder, vor allem aus dem historischen Teil, gegeben hätte. Auch hat mir der Stil nicht immer zugesagt, er war mir manchmal schlicht zu trocken. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der Autor an einigen Stellen eine Benachteiligung hineininterpretiert, die so eigentlich nicht gemeint war. Ich halte mich wirklich für sensibel, was diese Thematik angeht und fand doch bei einigen Gelegenheiten den von Kendi geäußerten Rassismus-Vorwurf für übertrieben.

 

Fazit: Ein präziser und detaillierter Bericht über die Geschichte des Rassismus. Sehr wichtig und lesenswert!

 

»Die Zeit wird kommen, in der die Amerikaner erkennen werden, dass das Einzige, was an Schwarzen nicht stimmt, der Gedanke ist, dass etwas mit ihnen nicht stimmt.«