Rezension

Ein Reiseführer in Buchform

Emilys Sehnsucht - Juliet Hall

Emilys Sehnsucht
von Juliet Hall

Bewertet mit 4 Sternen

"Emilys Sehnsucht" umfasst 495 Seiten und gliedert sich in vier Teile, die wiederum in insgesamt 49 Kapitel unterteilt sind. Die Kapitel haben mit durchschnittlich 10 Seiten eine angenehme Länge.

Abgerundet wird das Buch durch eine sympathische Danksagung der Autorin.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der Vergangenheitsform.

Die englische Originalausgabe trägt den Titel "A Bridge in Time". Übersetzt wurde das Buch von Barbara Röhl.

Das Cover des Buches strahlt durch seine sanften Farbtöne eine tolle Atmosphäre aus und macht Lust darauf, das Buch zur Hand zu nehmen und zu lesen.

Meine Meinung zum Buch:
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Joanna hat sich nach zehn Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt und ist in das Haus ihrer Eltern zurückgekehrt, um wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Ihr Vater ist schon verstorben und so wohnt sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Rachel unter einem Dach. Finanziell hält sie sich als freiberufliche Journalistin über Wasser und verfasst eine Kolumne für eine Zeitschrift.

Auf den ersten 80 Seiten des Buches nimmt sich die Autorin Raum, um die Hauptpersonen des Buches vorzustellen. Schnell merkt der Leser, dass jeder Charakter seine Eigenheiten hat. Besonders Joannas Mutter und ihre Schwester fallen auf. Während sich Rachel die Zeit damit vertreibt, im Internet auf Partnersuche zu gehen und potentielle Kandidaten auch persönlich zu treffen, ist Joannas Mutter dem Jugendwahn verfallen und konzentriert sich darauf, Mängel an ihrem Haus zu entdecken, um schnell einen Handwerker zu rufen, den sie dann in seiner Monitur bewundern und gleichzeitig sich selbst präsentieren kann.

Dagegen erscheint Joanna relativ normal. Ihre größte Sorge ist es, die Schmerzen, die ihr ihr Mann zugefügt hat, zu vergessen und die Erinnerungen an die Vergangenheit zu verdrängen. Während sie die Tage zunächst mit Belanglosigkeiten füllt, kommt ihr die Entdeckung auf dem Dachboden ihres Elternhauses sehr gelegen: Joanna findet eine Truhe, in der Liebesbriefe aus dem Jahr 1912 gelagert werden. Joannas Interesse ist schnell geweckt und so geht sie auf Spurensuche in das Leben der Briefeschreiber und somit auch in die Vergangenheit ihrer Familie.

Dafür reist Joanna in die Städte Venedig, Lissabon und Prag. Die Autorin beschreibt diese Orte so ausführlich und bildhaft, dass man viele Kleinigkeiten der Städte vor Augen hat, ohne jemals selbst dort gewesen zu sein. Sowohl die Menschen, die Sehenswürdigkeiten als auch die Gerüche beschreibt Juliet Hall so eindringlich und deutlich, dass es fast einem Städteführer in Romanform gleicht.

Überhaupt lebt das Buch von den Beschreibungen der Autorin. Obwohl das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben ist, bekommt der Leser doch tiefe Einblicke in das Gefühlsleben der Charaktere. Besonders Joanna und Rachel werden von der Autorin sehr ausführlich beschrieben und beobachtet. Manche längere Absätze eines Kapitels behandeln allein die Gedanken der Charaktere. Manche Kapitel beinhalten kaum Handlung sondern beschäftigen sich allein mit den Ideen, Wünschen und Vorstellungen der Charaktere. Doch selbst bei diesen handlungsarmen Szenen schafft es die Autorin mühelos, den Lesefluss und das Interesse des Lesers aufrecht zu erhalten.

Das gelingt ihr deshalb so gut, weil sie dem Leser die Charaktere nahe bringt und es schafft, das Interesse des Lesers für die Personen zu wecken. So lauscht man Joannas Gedanken einfach gerne, weil man sich für ihre Gedanken interessiert.

In diesem Buch gibt es nicht nur weibliche, sondern natürlich auch männliche Charaktere. Dennoch ist das Buch kein Liebesroman, denn im Vordergrund stehen eindeutig Joannas Städtereisen und die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie.

Im Gegensatz zu den stellenweise doch sehr ruhigen Szenen, stehen Szenen, die sehr spannend sind. Denn ein unbekannter Mann schleicht um das Haus und scheint Joanna und ihre Familie zu beobachten. Zudem wird Rachel immer wieder von einem Traum aus ihrer Kindheit geplagt, mit dem sie wohl eine Art Trauma verarbeitet.

Der Stil der Autorin besticht, wie bereits erwähnt, durch ausführliche Beschreibungen und bildhafte und malerische Darstellungen der Personen und Orte. Auffallend ist, dass die Autorin ihre Sätze gerne mit drei Punkten beendet. Dies stört den Lesefluss zunächst etwas, aber man gewöhnt sich daran. Insgesamt liest sich das Buch flüssig und leicht. Juliet Hall hat einen sehr angenehmen Schreibstil.

Mein Fazit:
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Ein Städteführer in Romanform, in dem sich die weibliche Protagonistin auf Spurensuche in die Vergangenheit ihrer Familie begibt und dabei viel über sich selbst lernt.