Rezension

Ein Roman, der den Leser in eine unvergessliche Atmosphäre eintauchen lässt und zudem noch äußerst informativ ist. Bildung und Unterhaltung – was will man mehr!?

Die Sprache der Schatten - Susanne Goga

Die Sprache der Schatten
von Susanne Goga

Bewertet mit 4 Sternen

“Die Sprache der Schatten” hat mich sehr begeistert und tief in seinen Bann gezogen. Selten habe ich einen historischen Roman gelesen, der den Geist der Zeit, in diesem Fall das 19. Jahrhundert, so authentisch darstellt… – nicht dass ich dabei gewesen wäre : ), aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es genau so war, wie es in diesem Buch dargestellt wird.

Susanne Gogas Schreibstil ist wunderbar – er wirkt leicht, erinnert an sanfte Pinselstriche, wie auf den Gemälden, um die es in der Geschichte geht. Eine einzigartige Atmosphäre entsteht und man fühlt sich, als wäre man direkt dabei und könne die Berliner Luft des Kaiserreichs schnuppern. Dies liegt auch sicher mit daran, dass die Autorin nicht alle Personen hochdeutsch sprechen lässt, sondern z.B. den Leuten der Arbeiterklasse einen deftigen Berliner Dialekt verpasst.

Offiziell sind wohl Frederike Hesse, genannt Rika, und der Künstler Anthonis die beiden Hauptpersonen, es gibt aber noch andere Charaktere, die beinahe genauso wichtig sind. Nämlich Rikas Stiefkinder, der herrschsüchtige Alexander und die zarte Anna, sowie der Fabrikantensohn Stephan Rungrath, der offiziell nach Berlin zog um neue Kunden für die Firma seines Vaters anzuwerben, dessen eigentlicher Wunsch aber die Anonymität der Großstadt ist.

Faszinierend und interessant fand ich den Wechsel innerhalb der Kapitel zwischen verschiedenen Szenen und Personen. So erfährt man immer aus jeder Ecke, was gerade bei wem passiert, bis sie sich wieder zu einer Szene zusammenschließen, wenn z.B. Personen aufeinandertreffen. Außerdem ermöglicht dies einen Einblick in die verschiedenen Ansichten, Gedanken und Pläne der Charaktere, wodurch der Schwerpunkt der Geschichte nicht nur auf einer Person liegt, sondern auf mehreren und sich so ein weiter Blick über das gesellschaftliche Leben ergibt.

Was den Geist der Zeit ganz gut vermittelt, sind die zeitgenössischen Ansichten zu verschiedenen Themen, wie etwa Stephan Rungraths Leidenschaft für das gleiche Geschlecht, die er unter allen Umständen verheimlichen möchte, oder der bereits zu dieser Zeit schon aufkeimende Hass auf Juden. Klar wird auch, dass Frauen noch sehr wenig Entscheidungsfreiheit hatten und sich nur wenige darüber hinwegzusetzen vermochten.

Zusammengehalten werden diese ganzen Stückchen mit dem Thema der Textilindustrie, die sich im 19. Jahrhundert der Massenproduktion zuwandte und Rikas Liebe zur Kunst, die sie mit Anthonis verbindet. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden entwickelt sich nebenher zart und kaum merklich.