Rezension

Ein Roman, der ein Stück Weltgeschichte wieder lebendig macht

Das Haus der Granatäpfel - Lydia Conradi

Das Haus der Granatäpfel
von Lydia Conradi

Bewertet mit 4 Sternen

1909: Die junge Klara Reinecke trifft in der Silvesternacht auf Peter Delacloche, den Erben eines großen Warenhauses aus Smyrna. Zur großen Freude ihres Vater heiraten die beiden zwei Jahre später und die junge Braut folgt ihrem Mann in seine Heimat. Dort verbringt sie mit ihrer neuen Verwandtschaft den Sommer im ,,Haus der Granatäpfel", doch obwohl Peter alles tut, um sie glücklich zu machen, langweilt sich die lebenshungrige Klara. Während sie sich in ihrem neuen Leben erst einrichten muss, wird der Balkan immer mehr zum Pulverfass, welches sich bald gewaltsam entladen wird... .
Lydia Konradi hat hier einen spannenden historischen Roman geschrieben, der von 1909 bis 1919 die Zeit vor, während und nach dem ersten Weltkrieg darstellt. Mich hat das Buch vom ersten Augenblick an gepackt und bis auf wenige Stellen, die etwas langatmig sind, bis zum Ende fesseln können.
Die Protagonistin Klara, um die sich meistens die Geschichte dreht, ist ein junges Mädchen, welches von Anfang an immer mit den Entscheidungen leben musste, die andere für sie getroffen haben. Mit Peter Delacloche hat sie im Sinne ihres Vater eine gute Partie gemacht, aber dennoch kann er ihr mit seiner ruhigen und wenig selbstsicheren Art nicht das geben, was sie sich wünscht. Gerade zu Beginn der Handlung wirkte sie deshalb auf mich recht kalt und selbstsüchtig, wobei man aber auch erkennt, dass sie einfach nur einsam ist und sich nach dem sehnt, was sie eigentlich nicht haben kann. Diese jugendliche Naivität zieht nachher bittere Konsequenzen nach sich, die auch weitreichende Folgen für andere Familienmitglieder haben.
Ebenso wie Klara sind auch die anderen Figuren äußerst vielschichtig gestaltet und wirkten sehr authentisch auf mich. Obwohl ich einige Zeit brauchte, um mit allen Namen und den Familien- und Herkunftszugehörigkeiten zurecht zu kommen, hat gerade diese Vielzahl an Personen die Handlung noch lebendiger für mich gemacht. Irgendwann ist man so vertraut mit allen, dass man selbst beim lesen erschrickt, als der Krieg anbricht und man um jeden bangt.
Lydia Conradi hat einen gut lesbaren Schreibstil und hat es geschafft, mich in ihre Geschichte hineinzunehmen. Sie beschreibt alles sehr anschaulich und lässt auch gerne ihre Figuren wie beiläufig im Gespräch interessante Details erwähnen, wie zum Beispiel die Kugellampen, die sowohl in Paris als auch in Smyrna stehen, weil Gustav Eiffel in beiden Städten Bauwerke entworfen hat. 
Mir hat auch besonders gefallen, wie die Atmosphäre in Smyrna dargestellt wird. Hier hat man wirklich den Eindruck, dass sich unabhängig von Nationalität oder Glaube jeder dort niederlassen kann und das Zusammenleben von den verschiedenen Kulturen nur profitiert.
Natürlich werden im Buch auch schwierige Themen angesprochen. Für mich war es das erste Mal, dass ich in einem historischen Roman überhaupt etwas über die Balkankriege und über die Morde an Armeniern gelesen habe. 
Insgesamt ist das ,,Haus der Granatäpfel" ein unterhaltsamer Roman, der auch dunkle Seiten der Weltgeschichte nicht einfach übergeht, sondern deren Schrecken für die Menschen darstellt. Auch wenn mir nicht immer alles an der Geschichte um Klara und der Familie Delacloche gefallen hat, habe ich das Buch sehr gerne gelesen und hoffe auf eine Fortsetzung. Gerne empfehle ich diesen Roman hier weiter.