Rezension

Ein so junger Hund

Ein so junger Hund
von Patrick Modiano

Bewertet mit 4.5 Sternen

Frühling im Jahr 1992 in Paris, der Erzähler findet ein Foto von sich und seiner damaligen Freundin, aufgenommen in einem ebensolchen Frühling. Bei Modiano ein Anlass hinabzutauchen in jene Vergangenheit des Jahres 1964, der Erzähler ist ein 19jähriger Student und macht Bekanntschaft mit einem Fotograf, Francis Jansen, Freund und Kollege des berühmten Robert Capa, nun sehr zurückgezogen lebend. Der junge Mann macht sich daran, die Unmengen an Fotomaterial, die er in der Wohnung Jansens findet, zu katalogisieren und zu archivieren. Dabei kommt er dem Älteren zwar näher, erfährt einiges aus dessen Leben, lernt Menschen aus seinem Umkreis kennen, aber doch bleibt er ungreifbar, rätselhaft, bis er nach nur wenigen Wochen der Bekanntschaft nach Mexiko abreist und dort verschwindet.
Wie in vielen Modiano-Romanen bewegt sich der Roman auf drei Zeitebenen: der Gegenwart, in der der Erzähler ins Erinnern gerät; den Jugendjahren in den 60ern, Zeit des Aufbruchs, der Cafés, des Existenzialismus und eine noch weiter zurückgehende Ebene in die Zeit der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen. Francis Jansen musste zu dieser Zeit als italienischer Jude Frankreich verlassen.
Es geht wie in allen Büchern Modianos um die Suche nach der verlorenen Zeit. Doch im Gegensatz zu Proust lässt sich diese bei ihm nicht wiederfinden. Man kann sich ihr allenfalls nähern, zu vage und unzuverlässig sind Erinnerungen, zu flüchtig und vergänglich menschliche Begegnungen, ja das Leben selbst. Es liegt eine Art Nebel über dem Erzählten, und der wird sich auch nie ganz heben. Im Gegensatz dazu verortet Modiano seine Geschichte sehr konkret. Immer wieder werden Pariser Straßen, Hausnummern, ja selbst Telefonnummern aufgezählt. Reale Personen werden den fiktiven an die Seite gestellt. Das gibt den Romanen etwas seltsam Flirrendes, Schwebendes. Zusammen mit dem wunderbaren Stilempfinden Modianos und seiner leisen Melancholie entstehen so Bücher mit einer ganz eigenen Atmosphäre, die Suchtpotential haben.