Rezension

Ein spannendes Experiment!

Ein Engel für Mr Darcy
von Ulrike Böhm

Bewertet mit 5 Sternen

In ihrem Roman „Ein Engel für Mr Darcy“ wagt Ulrike Böhm das spannende Experiment, die Geschichte von Jane Austens berühmten Roman „Stolz und Vorurteil“ in die Wendezeit in der DDR zu verlegen.

Die Krankenhaus-Bibliothekarin Lisa Engel (Austens Protagonistin Lizzy Bennet nachempfunden) wird nach der Wende arbeitslos, weil das Krankenhaus privatisiert und von einer westlichen Unternehmerfamilie übernommen wird. Dem Sohn dieser Familie steht ein Unternehmensberater zur Seite: der adlige Halb-Engländer Simon Hadley-Ash (alias Austens Mr Darcy). Als Lisa ihn sieht, ereilt sie die „Liebe auf den ersten Blick“. Doch er ist mitschuldig daran, dass sie ihren Job verloren hat, und so muss diese Liebe noch viele Hindernisse überwinden, bis es zum von der literarischen Vorlage vorgegebenen glücklichen Ende kommt.

Ulrike Böhm schreibt humorvoll und unterhaltsam, man sollte sich also vom Umfang des Romans nicht abschrecken lassen. Ihre Protagonisten sind authentisch, ihre Gefühle und Handlungen nachvollziehbar.

Auch ein Kater, dem von seiner Besitzerin Lisa der Name „Mr Darcy“ gegeben wurde, hat seine zum Schmunzeln anregenden Auftritte und seinen Anteil am Happyend.

Besonders gefallen haben mir aber die Szenen, in denen Ulrike Böhm aus dem Leben in der DDR zur Wendezeit erzählt, zum Beispiel:

 

Ich fragte mich, was sich gegenüber früher eigentlich geändert hatte, und gab mir gleich selbst die Antwort: Früher durfte man seinen Chef ungestraft einen Esel nennen, wurde aber hart bestraft, wenn man einen Witz über die Partei- und Staatsführung riss. Heute konnte man den Bundeskanzler mit faulen Eiern bewerfen, aber man musste aufpassen, was man auf Arbeit über seinen Vorgesetzten sagte.

 

In Ulrike Böhms Buch treten sie alle auf: die Wendehälse, die Besserwessis, die raffgierigen Kapitalisten und Hausbesitzer und die Ostdeutschen, für die ihre gewohnte Welt über Nacht zerbröselt.

So ergeht es auch ihrer Protagonistin Lisa Engel. Während ihre Schwester Sophie sich in ihrer eigenen Psychotherapiepraxis niederlässt und den Sohn der westdeutschen Unternehmerfamilie heiratet, muss sie Bewerbungen schreiben und zu Vorstellungsgesprächen gehen. Und sie muss wahrscheinlich ihre Heimat verlassen, denn ihre beste Chance hat sie in Stuttgart, einen neuen Job zu bekommen.

Auf ihrer lange erträumten Englandreise trifft Lisa scheinbar zufällig Nora, Simons Schwester.

Als Lisa durch Nora in eine sehr unangenehme Situation gerät, entschädigt Simon sie damit, dass er gemeinsam mit ihr auf den Spuren Jane Austens wandelt. Sie besuchen ihr Geburtshaus, ihr Grab, ein ihr gewidmetes Museum etc. und kommen sich so langsam näher.  Dann schafft es jedoch Simons schreckliche Tante Adelheid, die Lisa nicht standesgemäß findet,  die beiden in Hamburg wieder auseinanderzubringen und auch Simons Vater, der 6. Baron  von Illington, ist nicht gerade begeistert über die anvisierte neue Schwiegertochter. Sehr kenntnisreich verwebt Ulrike Böhm die literarische Vorlage von Jane Austen mit ihrer ganz eigenen Geschichte und transponiert gekonnt die Story von „Stolz und Vorurteil“  in die neunziger Jahre in Deutschland.

Ein sehr gelungenes Experiment!