Rezension

Ein Stoff, aus dem Träume gemacht sind

Wohin dein Herz mich ruft - Jennifer Delamere

Wohin dein Herz mich ruft
von Jennifer Delamere

Ein Stoff, aus dem Träume gemacht sind

Julia Bernay wuchs in einem Waisenhaus in Bristol auf und musste ihr ganzes Leben lang hart für alles arbeiten. Schon in jungen Jahren fühlte sie sich dazu berufen, anderen Menschen zu helfen und wurde schließlich Krankenschwester. Doch Julias eigentliches Ziel ist es, als Ärztin und Missionarin in Afrika zu arbeiten. Ihr Weg führt sie nach London, wo sie sich für die Zulassung zum Medizinstudium vorbereitet. Auf dem Weg zu einer Vorlesung ist sie im Jahr 1881 zufällig vor Ort, als der Anwalt Michael Stephenson bei einem U-Bahn-Unfall lebensbedrohlich verletzt wird. Dank ihres medizinischen Wissens und ihrer Erfahrung als Krankenschwester führt Julia eine rasche und fachkundige Erstversorgung durch, die Michaels Leben rettet. Zu diesem Zeitpunkt ahnt die junge Frau jedoch nicht, dass es sich bei diesem Mann um jenen Anwalt handelt, der sich dafür einsetzt, eine Ausbildung von weiblichen Ärzten in der London School of Medicine zu verhindern. Trotz der großen gegenseitigen Anziehungskraft scheinen Julias und Michaels Lebenspläne unvereinbar…

Im zweiten Band der Reihe „Liebe in London“ entführt Jennifer Delamere ihre Leser erneut in die englische Hauptstadt und macht die Frauenbewegung, und ganz speziell den Kampf um die Zulassung von Frauen für das Studium der Medizin, zu den Kernthemen dieses Buches. Auch gesellschaftliche Konventionen und die Schwierigkeit, Klassenunterschiede zu überwinden, stehen im Zentrum des Geschehens. Die Protagonistin Julia Bernay wird als couragierte, selbstsichere und unabhängige Frau dargestellt, die ihrer Meinung entgegen der herrschenden Auffassung dieser Zeit stets direkt und freimütig Ausdruck verleiht. Die natürliche Schönheit der jungen Studentin steht in starkem Kontrast zu dem gekünstelten Äußeren und Gehabe der Töchter aus gutem Hause. Ein unerschütterlicher Glaube an Gott begleitet Julia bereits ihr gesamtes Leben lang, und ihre christliche Nächstenliebe spiegelt sich in ihrem selbstlosen Einsatz für Hilfsbedürftige.

In einfühlsamen Worten und in wunderschönem Schreibstil werden Julias berufliche und persönliche Entwicklung beschrieben. Gedanken und Gebete sind in kursiver Schrift dargestellt, sie erlauben einen tieferen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der handelnden Figuren. Der gutaussehende und selbstsichere Michael Stephenson ist der männliche Protagonist dieses Buches. Bis er Julia kennenlernte, lebte der wohlhabende Anwalt nur für seinen persönlichen Erfolg. Erst Julia öffnet ihm die Augen für Gottes Wirken in seinem Leben und ändert seine Gesinnung. Auch Michaels Wandlung wurde überzeugend dargestellt, und letztendlich stellt auch er Wahrheit und Gerechtigkeit über seinen persönlichen Gewinn.

Jennifer Delamere stellt ihren beiden Protagonisten authentische Nebenfiguren zur Seite, von denen besonders Michaels Schwester Corinna Barker sowie Lady Edith Morton tragende Rollen spielen. Ein sehr interessanter Charakter ist zudem Corinnas Ehemann David Barker. Sein umgängliches, sanftes und herzensgutes Wesen, seine Unvoreingenommenheit und sein guter Charakter machten ihn zu meinem favorisierten Nebendarsteller. Doch auch er hütet ein Geheimnis.

Als böser Antagonist fungiert Graf von Westerbridge, ein einflussreicher Mann, der alles in seiner Macht stehende tut, um die Ausbildung von Ärztinnen zu verhindern. Lady Edith Morton, die Tochter dieses verbitterten und hasserfüllten Mannes, hat ein feindseliges Verhältnis zu ihrem Vater. Lady Edith ist eine eigenständig denkende Frau mit aristokratischem Auftreten – und sie studiert ebenfalls Medizin. Edith empfindet das Vorgehen ihres Vaters als persönlichen Rachefeldzug und kämpft ebenfalls erbittert um den Erhalt der London School of Medicine. In kleinen Gastauftritten darf man letztendlich auch Julias Schwester Rosalyn und ihren Ehemann Nate erleben, die Protagonisten im ersten Band „Die Tochter des Kapitäns“ waren. Julia wird darüber hinaus auch von ihrer jüngsten Schwester Cara aufgesucht, die ihrerseits für Turbulenzen sorgt.

Fazit: „Wohin dein Herz mich ruft“ ist ein würdiger Nachfolger des ersten Bandes dieser Buchreihe, der mir hervorragend gefallen und mich ausgezeichnet unterhalten hat. Ich freue mich bereits auf ein drittes Abenteuer mit der jüngsten Barnay-Schwester Cara in der Hauptrolle.