Rezension

Ein Stück deutsche Geschichte, gefasst in Literatur

Die Stille im Dorf - Karl Blaser

Die Stille im Dorf
von Karl Blaser

Bewertet mit 5 Sternen

Momentan gibt es wieder vermehrt hochkarätige, lesenswerte Romane, die sich mit dem deutschen Alltag im zweiten Weltkrieg auseinandersetzen. Prominent zu nennen sind da Ralf Rothmanns letzte Bücher und Arno Geiger mit Unter der Drachenwand, der sogar für den deutschen Buchpreis nominiert war.

Karl Blaser stößt mit Die Stille im Dorf auch hinzu. Er wählt für die sein komplex angelegte Buch ein Eifeldorf bzw. zentral einen Bauernhof im Winter 1944/1945. Hier lebt der Bauer Johann Gross mit seiner Frau Anna und den schon erwachsenen Kindern Margarethe und Micha. Der Klappentext stellt Margarethe in den Vordergrund, aber tatsächlich wird die Handlung gut auf die Figuren verteilt. Während Margarethe ihren Verlobten an der Front verliert, kommt Micha verletzt und verzweifelt davon zurück.

Bei der Figurengestaltung gibt es immer wieder Augenblicke, in denen man ihnen nahekommt, dann entsteht auch wieder Distanz. Die Familie ist zeitgemäß konform zur Partei, sie sind Mitläufer. Eine mehr als ambivalente Figur ist Johann. Er ist als Ortsbauernführer ein hundertprozentiger und führt sowohl die Bauern als auch die eigene Familie mit eiserner Hand. Er beutet polnische Zwangsarbeiter aus, schreckt auch nicht vor Vergewaltigung zurück. Dann gibt es aber auch Momente, wo es eine Einsicht zu geben scheint. Er gibt z.B. seine Ideale sofort auf, als die Alliierten anrücken. Das Hin und Her ist wohl auch ganz realistisch, aber mir ging es da manchmal zu schnell.

Davon abgesehen, gelingt es Blaser hervorragend Stimmungen und besondere Momente zu verdeutlichen. Ich denke, a z.B. an die Szene, als der amerikanische Soldat die Kirche im Dorf stürmt, und die Statue der heiligen Appolonia köpft.

Karl Blaser erzählt die Familiengeschichte auch nach dem Krieg weiter. Da spielen zunächst Johanns Schwester Mathilde und ihre Familie eine große Rolle, ebenso wie Marie, die Verlobte von Micha. Bis Anfang der neunziger Jahre entwirft Blaser die Familiengeschichte.

Insgesamt bekommt der Leser einen guten und vor allen sehr glaubhaften Einblick in die Zeit und den Ort.

 

Karl Blaser, der selbst auf einem Bauernhof geboren wurde, schöpft aus Erzählungen z.B. von seiner Mutter und schuf daraus ein glaubwürdiges Stück Literatur um deutsche Geschichte.