Rezension

Ein Stück Zeitgeschichte

Fantom -

Fantom
von Jürgen Ehlers

Bewertet mit 5 Sternen

„...Alexander räusperte sich: „Hier ist Roy Clark. Hauptbahnhof. In einer Viertelstunde geht die Bombe hoch.“...“

Dieses Telefonat könnte es am 8. Dezember 1966 genau so gegeben haben, denn das Buch bezieht sich auf reales Geschehen. Der Fall landet bei Kommissar Horst Berger. Schnell stellt sich heraus, dass die Bahn vorher zwei Erpresserbriefe erhalten, aber nicht ernst genommen hat.
Der Autor hat die Geschichte exakt recherchiert und spannend aufgearbeitet.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er passt sich den Gegebenheiten an. Die Gegebenheiten sind neben dem Bombenleger auch die Suche nach einer Frau mit Partner, die schon mehrere Banküberfälle verübt haben. Gleichzeitig stellen sich Fragen nach Horsts Vergangenheit, speziell nach dem Schicksal seiner Mutter während der Nazizeit. Auch die aktuellen politischen Probleme werden gekonnt in den Krimi integriert. Das sind vor allem der Vietnamkrieg und der Schahbesuch.
Sehr detailliert werden die technischen Fakten wiedergegeben. Dazu gehört auch die Wirkung von Sprengstoffen.

„...Die Brisanz ist das Zertrümmerungsvermögen eines Sprengstoffs. Da gibt es erhebliche Unterschiede. Wenn Sie einen hochbrisanten Sprengstoff nehmen, also zum Beispiel Nitroglyzerin oder TNT, dann haben Sie eine Detonationsgeschwindigkeit von zehntausend Meter pro Sekunde...“

Ab und an lässt mich der Autor einen Blick in die Gedankenwelt des Täters werfen. Auch seinen Lebenslauf erfahre ich, als er ihn seiner Frau erzählt. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs hatten ihn staatenlos gemacht.
Gut ausgearbeitete Gespräche zeigen den Zeitgeist. So besucht Horst seinen Sohn in Westberlin und landet in einer Gesprächsrunde von Studenten. Michael äußert dort:

„...Wohin treibt die Bundesrepublik? Sie treibt überhaupt nirgendwo hin, sie steckt noch immer fest im braunen Sumpf….“

Ein Student namens Benno soll ein Gedicht vortragen, möchte aber nicht. Wenige Wochen später ist dieser Benno Ohnesorg tot – erschossen von einem Polizisten. Das belastet erheblich das Verhältnis von Horst und Michael.
Auch die Ermittlungen ziehen sich hin. Immer wieder neue Anschläge und neue Forderungen, sowie Übergabevereinbarungen, die plötzlich abgebrochen werden, zerren an den Nerven der Polizei. Kompetenzgerangel der einzelnen Dienststellen kommt hinzu. Die Presse spielt ihr eigenes Spiel. Der Bombenleger scheint gekonnt mit allen zu spielen. Auch die Bankenlady ist nicht greifbar.
Zu den beeindruckendsten Stellen gehört für mich das Gespräch von Susanne, Horst Schwester, mit ihrem Halbbruder George in Saigon. Der junge Mann war seiner sogenannten Pflicht nachgekommen und in den Vietnamkrieg gegangen. Er wird ihn als gebrochener Mann verlassen.

„...Susanne würde ihn verachten, wenn sie das wüsste. Aber das durfte sie nie erfahren. Es reichte schon, wenn er sich selbst verachtete...“

Die Geschichte spielt gewissermaßen in einer Zeit des Umbruchs. Während der eine endlich Klarheit über die Vergangenheit bekommt und andere nicht bereit sind, alte Zöpfe abzuschneiden und sich ob ihres Handelns auch noch im Recht wähnen, beginnt es bei den Studenten zu brodeln. All das hat der Autor zu einer spannenden Handlung zusammengefügt.
Eine Karte über die Örtlichkeiten und ein inhaltsreiches Nachwort ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.