Rezension

Ein trostloses Leben...

Paris, die Nacht - Jérémie Guez

Paris, die Nacht
von Jérémie Guez

Sollten Sie nach Paris kommen, kaufen Sie sich ein Metro-Ticket, nehmen eine Linie, die nach Norden fährt und steigen an einer der Haltestellen im 18., 19. oder 20. Arrondissement aus. Laufen Sie durch diese Viertel abseits der touristischen Highlights, die geprägt sind durch die Einwanderer aus China, dem Maghreb und Schwarzafrika und lassen Sie die ethnische und kulturelle Vielfalt auf sich wirken.

Das ist die Umgebung, die den jungen französischen Autor Jérémie Guez zu seiner Paris-Trilogie inspiriert hat, von der nun mit „Paris, die Nacht“ der erste Band im Polar Verlag erschienen ist. Es ist ein schmaler Roman, dieser Erstling, nur etwas über 100 Seiten, der uns einen Einblick in das Leben der beiden Freunde Abraham „Abe“ und Goran gewährt, Gelegenheitsdealer, die durch die Gassen und Kneipen von La Goutte-d’Or im 20. Arrondissement ziehen. Sie sind auf der Suche nach gutem Stoff, sowohl für den Eigenbedarf als auch für den gewinnbringenden Verkauf an Yuppies und Studenten.

Bei ihren Streifzügen entdecken sie eine Bar in Belleville, in der um große Beträge gepokert wird. Das ist für Abe und Goran die Gelegenheit mit geringem Aufwand und kleinem Risiko den großen Coup zu landen. Sie rekrutieren ihre Helfer aus dem Freundeskreis und ziehen die Sache durch. Womit sie aber nicht gerechnet haben, ist der Verräter in den eigenen Reihen, denn die lokalen Größen der Unterwelt lassen zum einen nicht mit sich spaßen und mögen es zum anderen nicht, wenn man sie ausraubt…

Der Autor schildert uns die Ereignisse aus Abrahams Perspektive. Es ist ein trostloses Leben, das er führt: von Geburt an chancenlos, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, ohne Perspektive, ohne Träume. Seiner Situation ist er sich durchaus bewusst, macht aber keine Anstalten, etwas daran zu ändern. Ist ja auch egal, denn offenbar trifft er immer die schlechtesten Entscheidungen, die ihn nur noch tiefer in die Bredouille bringen. Aber er nimmt es hin, kompromisslos und ohne Selbstmitleid, aber mit einer gewaltigen Portion Hass auf seine Umwelt, auf sich, auf seine Kumpane. Und das einzige Ventil, das er dafür findet, ist brutale, blutige Gewalt.

„Paris, die Nacht“ führt uns höchst beeindruckend den Fatalismus und die Verrohung einer perspektivlosen Generation vor Augen, die von keiner Seite Unterstützung zu erwarten hat – muss man sich dann wundern, dass es immer wieder heftige Auseinandersetzungen in den Pariser Vororten gibt?