Rezension

ein ungewöhnlich offener, ungeschönter Einblick in ein Leben mitten in der Generation Hoffnungslos

Zone C - Sebastian Caspar

Zone C
von Sebastian Caspar

Bewertet mit 4.5 Sternen

Heute hat jeder theoretisch die Möglichkeit, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Die Konsequenzen des Scheiterns, obwohl man selbst darauf nicht immer Einfluss hat, trägt jeder dennoch ganz alleine. Sten ist einer von ihnen.

Zone C, ein Hoffnungsroman ohne Hoffnung.

Sten ist 19 und hat sein Leben noch vor sich. Theoretisch. Praktisch besteht sein Alltag daraus, seine Ex-Freundin zu vermissen, mit Kumpels abzuhängen, seine *Piep*-Beziehung gelegentlich zu treffen und sich verschiedene Drogen reinzupfeifen. Wie er den Konsum bezahlt? – gute Frage, denn einen Job hat Sten nicht.

Sebastian Caspar versucht gar nicht erst, ansatzweise positive Dinge aufzuzählen, die in Stens Leben vorkommen. Es gibt keine.
Seine Umgebung ist trist und verlassen, seine Mutter am Ende und er selbst richtet sich Stück für Stück zu Grunde und findet dies normal. Normal, weil sein Leben ohne Perspektive vor sich hin dümpelt und er in den Tag hinein lebt. Das letzte bisschen Glück ging mit seiner Ex-Freundin, die sich selbst aus dem Drogensumpf befreien musste und ihm den Rücken kehrte.

Mein ständiger Begleiter im Studium, der Soziologe Ulrich Beck, würde vermutlich sagen (vgl. „Risikogesellschaft“), dies sind die Folgen der Individualisierung: Die bisherigen Zwänge, in die Fußstapfen der Eltern zu treten, sind weggebrochen. Jeder hat theoretisch alle Möglichkeiten, sich nach seinen Wünschen zu entfalten. Die Konsequenzen des Scheiterns, obwohl man selbst darauf nicht immer Einfluss hat, trägt man dennoch ganz alleine.
Warum mir ausgerechnet diese Sätze wieder durch den Kopf gingen?
Weil sie zutreffen. Sten lebt in einer Umgebung, die von Verfall, Vereinsamung und Strukturschwäche gekennzeichnet ist. Irgendwo im Osten, einem Fleck in Deutschland, dem die Bewohner weggelaufen sind, weil sich woanders bessere Chancen auf ein besseres Leben bieten. Wer geblieben ist, gehört zu den Verlierern. Verdammt, das beste aus der Situation zu machen. Einer Situation, in der das beste bereits das Überleben des Alltags ist. Was liegt da näher, als sich jede verfügbare Droge reinzuziehen, um dem Alltag für kurze Zeit zu entkommen?

Es ist schwierig, zu Sten eine Beziehung aufzubauen, während man seinen Schilderungen folgt und sich permanent fragt, wie man ihm helfen könnte, damit er noch die Kurve kriegt. Auf diese Frage habe ich bis zum Ende keine Antwort finden können.
Es ist auch nicht so, als ob Sten zu dumm wäre, um nicht selbst zu begreifen, was bei ihm schief läuft. Viele, teils auch sehr tiefgründige, Gedanken teilt er mit dem Leser und lässt sich so tief in die Seele blicken.

    “Der Punkt, an dem ich mich jetzt befinde, war vorherbestimmt. Ich hatte nie eine andere Wahl.” (S.63)

Zwischendurch sind es Zeilen wie diese hier, die einem einen Kloß in den Hals treiben. Resignation pur.
Und dennoch, oder gerade deshalb, hat mich diese Untätig- und Gleichgültigkeit, was das eigene Leben und die eigene Zukunft betrifft, sehr bewegt.

Danke Sebastian Caspar, für diesen ungewöhnlich offenen, ungeschönten Einblick in ein Leben mitten in der Generation Hoffnungslos.
Ich möchte gar nicht wertend über diesen Roman entscheiden, aber ich hoffe sehr, viele Leser mögen den Blick aus ihrer eigenen Komfortzone wagen und sich über dieses Buch ihre eigenen Gedanken machen. Ich könnte mir sogar gut vorstellen, dieses Buch im Rahmen eines Schulprojekts zu lesen – auch um die verheerende Wirkung von Drogen in einem realistischen Szenario miterleben zu können.