Rezension

Ein Vierfachmord im New York von 1947

Gangsterswing in New York - Ray Celestin

Gangsterswing in New York
von Ray Celestin

Bewertet mit 5 Sternen

Ida Young ist aus Chicago auf dem Weg zu einem Treffen in New York, um ihrem ehemaligen Partner Michael beizustehen. Beide kennen sich seit der Anfangszeit der Detektiv-Agentur Pinkerton in New Orleans in den 20ern des vorigen Jahrhunderts, als Michael Talbot noch als Polizist arbeitete. Inzwischen ist er Anfang 70. Die durch den Krieg verwitwete Ida führt seit Jahren ihre Agentur „Investigations Ltd.“in Chicago, ihr Sohn ist bereits erwachsen. 1947 hatte es in Manhattan einen Vierfachmord in einem kleinen Hotel für gestrandete Existenzen gegeben, dabei starben zwei schwarze Männer, ein weißer Arbeiter und die Rezeptionistin.

Angeklagt wegen der Morde ist Thomas Talbot, Michaels Sohn. Der Anwalt des Verdächtigen dringt darauf, dass Thomas vor Gericht auf „schuldig“ plädiert und anschließend „nur“ ein Deal um die Haftdauer ausgehandelt wird.  Die Zeit drängt. Michael Talbot als erfahrener Ermittler hält seinen Sohn für unschuldig. Die offensichtlich inszenierte Situation am Fundort muss selbst Laien verdächtig vorkommen; die Fallakte wirkt alles andere als schlüssig. Ida mit ihrem unvoreingenommenen Blick für eine Tat als Ganzes scheint die letzte Rettung für den Kriegsveteranen Thomas zu sein.  Bei ihren Recherchen stellen Ida und Michael fest, dass Michael als Ex-Polizist und (weißer) Vater eines schwarzen Sohnes keine Ahnung hatte, wie schwarze Kriegsveteranen nach ihrer Rückkehr in New York leben. New York wirkt hinter der Fassade der Clubs und Jazzkneipen  in ihren Seitengassen verslumt und erinnert Ida an Chicagos Southside. Wo schwarze GIs im Krieg in Europa eingesetzt waren, gibt Idas und Michaels Ermittlungen schließlich die entscheidende Wende.

An anderem Ort steht Gabriel Leveson bereit für seinen Ausstieg aus der New Yorker Mafia-Familie Luciano. Gabriel hat seine Flucht seit Jahren geplant und will damit dringend seine 13-jährige Nichte aus dem Land bringen, an deren Situation er sich schuldig fühlt. Seine Schwester/Sarahs Mutter kam unter höchst verdächtigen Umständen ums Leben. Zwei Figuren kämpfen hier in ihrer Vaterrolle: Michael um die Rehabilitation seines Sohnes und Gabriel um ein sicheres Leben für seine Nichte Sarah.

Auch Louis Armstrong ist im dritten Band wieder dabei, den Ida noch aus New Orleans kennt. Armstrongs Stern scheint im Sinken begriffen zu sein und ebenso wie der Tod Al Capones eine neue Epoche anzukündigen. Auf politischer Ebene sind die Würfel längst gefallen. Während die Mafia die „Docks“ und die Vergnügungsbranche fest in der Hand hat, bestreitet J. Edgar Hoover entschieden die Existenz eines organisierten Verbrechens. Das FBI wird sich fortan ganz dem Kampf gegen „unamerikanische Umtriebe“ in Hollywood widmen. Beinahe reizvoller als die Aufklärung des Vierfachmords  finde ich die politischen und sozialen Umbrüche, die sich 1947 ankündigen: die Gründung der CIA und der Beginn des Kalten Krieges mit seiner Fixierung allein auf die Gefahr, die den USA von außen droht …

Ray Celestin verbindet im dritten Band seines City-Blues-Quartetts wieder geschickt historische Fakten und Fiktion. Figuren wie Louis Armstrong, Ronald Reagan, Frank Sinatra oder Joe Kennedy senior und die im Nachfolgekrieg gefangenen Mafia-„Familien“ lassen die Ereignisse authentisch wirken, auch wenn Celestin sich die Freiheit nimmt, die zeitliche Reihenfolge historischer Ereignisse seiner Handlung anzupassen. Neben der tatkräftigen Ida Young als Figur hat mich u. a. die Situation schwarzer Kriegsveteranen in den Jahren nach 1945 gefesselt.

Wer Celestins Detailfülle liebt, sollte sich hier wieder vom Sound der Epoche mitnehmen lassen.

 

Die Serie

Der angekündigte vierte Band soll in den 60ern in Los Angeles spielen.