Rezension

Ein wichtiges Buch für Frauen

Pick me Girls -

Pick me Girls
von Sophie Passmann

Bewertet mit 5 Sternen

Die Bezeichnung “Pick me Girls” hat sich im Internet etabliert und bezeichnet Frauen, die anders sein wollen als andere Frauen. Wenn sie nämlich nicht der Norm entsprechen, darüber, was man attraktiv findet, Schönheit, Charme und Weiblichkeit versprühen, dann sollten sie zumindest lustig sein, gut zuhören können, oder eben “echte Kerle” sein. 

Erfolgreiche Frauen sind Konkurrentinnen, weil der Markt derer, die ihnen zuhören, begrenzt ist, erfahre ich am Anfang des Buches.

Mit elf Jahren wurde Sophie Passmann auf Diät gesetzt und aß plötzlich Dinge, die eine 11-jährige freiwillig nie essen würde. In dem Bestreben, so zu sein, wie die angesagten Mädchen, erlebt sie mit 17 ihre erste Essstörung. Sophie Passmann zeigt auf, wie junge Mädchen popkulturell geprägt werden, durch Mode, Musik und Werbung. Junge Frauen lernen sehr früh, dass wenig an ihnen stimmt. Sie sind zu dick, pickelig, strähnig, unbeholfen, zickig, grobmotorisch, peinlich. Das Gefühl der Scham macht sich sehr früh breit und erschwert ihnen den Alltag. 

Frauen sollen anmutig und schön sein, elegant, ohne dabei angestrengt zu wirken. Schlank, ohne Sport zu machen oder nur Salat zu essen. Ebenmäßig ohne zu viel Zeit im Badezimmer darauf zu verwenden, emotional verfügbar, ohne zu anhänglich zu werden, oder zu viel Therapie zu machen. S. 69

Die Autorin berichtet von vier Shitstorms, die über sie hereingebrochen sind und ich bin baff erstaunt, wie unmenschlich, diese Welt in der wir leben, geworden ist. Und, wie stark Sophie Passmann ist, dass sie aus derlei öffentliche penetrante Anfeindungen herauswachsen konnte. Sie polarisiert und auch das zeigt wieder, dass du als intelligente, eigensinnige Frau, nicht straffrei deine eigene Meinung verkündest, wenn “Jemand” Anstoß daran nimmt. 

Eine ganze Industrie lebt von der Unzufriedenheit, die Frauen nicht mit ihrem Äußeren hätten, würde ihnen nicht ständig suggeriert, dass vieles nicht mit ihnen stimmt.

Fazit: Das Buch ist kein Storytelling, eher ein Sachbuch, oder Essay. Es ist auf jeden Fall ein feministisches Buch, das sich gegen die Zustände und nicht zu erfüllenden Erwartungen, die unsere Gesellschaft an Frauen stellt, wehrt. Ich mochte es sehr, wenn es mir auch, wegen der Schachtelsätze, jede Konzentration abgefordert hat, die ich hatte. Deshalb wird das Buch, die Intention der Autorin zu Anfang nicht halten können, eine 14 Jährige weiterzubringen. Sie wird es schlicht nicht verstehen, es sei denn, sie ist hochbegabt. Ich habe meine Jugend und die Jahre als junge Frau ähnlich beschämt und verwundet verbracht, wie Sophie Passmann, obwohl ich 25 Jahre vor ihr geboren wurde, es ist also immer noch Luft nach oben. Mir ist heute klarer, als damals, dass wir immer mehr Frauen brauchen, die ihre Zeit nicht mit Konkurrenzdenken und Stutenbissigkeit verschwenden, sondern damit, ihrer Unzufriedenheit, Überforderung und Wut, Luft zu machen und weder bequem, noch unbequem sind, sondern echt werden. Pick me Girls ist ein wichtiges Buch, das ich allen Frauen empfehlen möchte.