Rezension

Ein wirklichkeitsnaher, toll recherchierter historischer Roman

1622. Ein erbärmliches Unglück -

1622. Ein erbärmliches Unglück
von Jörgen Bracker

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: Als im Mai 1618 drei Beamte des böhmischen Königs aus einem Fenster der Prager Burg gestoßen werden, ahnt der im Hamburger Umland wohnende Jonas noch nicht, welche Konsequenzen dies für ihn haben wird. Doch plötzlich ziehen marodierende Soldatenbanden durch das Land, die es auch auf den Hof von Jonas’ Bruder abgesehen haben. Nur dank der Raffinesse von Jonas können sie abgewehrt werden – wodurch Johan van Valckenburgh, der gerade den Bau der Hamburger Wallanlagen leitet, auf Jonas aufmerksam wird und ihn als Späher anstellen möchte. Ehe Jonas es sich versieht, ist er mitten in den konfessionellen Wirren des Krieges…

Persönliche Meinung: „2. Juli 1622 – Ein erbärmliches Unglück. Valkenburgh und die Waffenschmuggler“ ist ein historischer Roman von Jörgen Bracker. Erzählt wird die Handlung in Tagebuchform aus der Ich-Perspektive von Jonas, der es aufgrund seiner Vergangenheit nicht immer leicht hatte, jetzt aber – unter der schützenden Hand Valckenburghs – immer stärker sein Potential entfalten kann. Fluchtpunkt des Romans ist die Explosion eines Schiffes auf der Elbe am 2. Juli 1622, deren genaue Umstände bis heute nicht völlig geklärt werden konnten. Um diese offene Frage spinnt der Historiker und Archäologe Bracker eine Handlung, die literarisch zu beantworten sucht, was zur Explosion des Schiffes geführt haben könnte. Der Roman geht allerdings noch weit über die Behandlung der Explosion hinaus. So thematisiert „2. Juli 1622“ außerdem die Abenteuer, die Jonas mit seinen Freunden in Hamburg und Umfeld erlebt, mehrere Liebesgeschichten und die Anfangszeit des Dreißigjährigen Krieges. Hierbei spielen besonders die religiösen, auch intrakonfessionellen Konfliktpunkte des Krieges und die (politische) Situation Hamburgs im Krieg eine Rolle. Der historische Hintergrund wird authentisch und wirklichkeitsnah geschildert – ohne, dass der Autor in trockenes Dozieren abdriftet. Denn: Die Ereignisgeschichte hat immer direkte Konsequenzen für die Protagonisten, sodass der historische Hintergrund lebensnah veranschaulicht wird. Zudem finden sich in der Handlung häufig Politkrimi-Elemente, die das Historische auflockern: Mehrmals spioniert Jonas die politischen Feinde in brenzligen Situationen aus; welche Allianzen überdauern, wer die Seite wechselt, ist in der brisanten Kriegssituation offen. Der Schreibstil von Jörgen Bracker ist eher hypotaktisch, reich an Beschreibungen und stellenweise verschnörkelt. Anfangs ist dies etwas ungewohnt, aber man gewöhnt sich schnell daran (außerdem wirkt der Schreibstil archaisierend, wodurch der Text auch auf Sprachebene einen historischen Touch bekommt). Der Roman schließt mit einem Nachwort („Wahr oder wahrscheinlich“), in dem der Autor die gesicherten historischen Erkenntnisse zur Explosion des Schiffes festhält. Weiterhin existieren ein Index, in dem kurz historische Ereignisse, Örtlichkeiten und auftretende Personen erklärt werden, und ein Verzeichnis mit weiterführender Literatur zum Themenkomplex „Dreißigjähriger Krieg“. Insgesamt ist „2. Juli 1622 – Ein erbärmliches Unglück“ ein kurzweiliger, wirklichkeitsnaher und toll recherchierter historischer Roman.